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AUSBILDUNG ZUR SEILZUGANGSTECHNIKERIN: DREI FRAUEN BERICHTEN!

Louise, Lucie und Myriam lassen sich in der Seilzugangs- und Positionierungstechnik ausbilden. Ist das nicht ein reiner Männerberuf? Von wegen. Die drei jungen Frauen berichten über ihre SZP Ausbildung in La Baume d’Hostun im Departement Drôme, Frankreich.

27 August 2020

Zugang mit Seil und Beengte Räume

Erste Schritte in der Ausbildung zur Seilzugangstechnikerin für die Teilnehmerinnen des Lehrgangs von Atout Corde. 

 

„Gib mir mal ein RIG!“ bittet Louise ihre Ausbildungskollegin. „Hast du dein ASAP installiert?“ antwortet Lucie. Um ihren Worten folgen zu können, bräuchte man fast einen Übersetzer. Ihre Sprache ist gespickt mit technischen Ausdrücken. Es geht um spezielle Abseilgeräte (wie z.B. das RIG), mitlaufende Auffanggeräte (ASAP) und besondere Techniken. Bei der Höhenarbeit ist kein Platz für Improvisation.

Die Ausbildung zum Seilzugangstechniker erfolgt in unterschiedlichen Levels in zertifizierten Ausbildungsstätten. Für den Lehrgang Level 1 ist keine Berufserfahrung oder abgeschlossene Ausbildung zum Sportkletterlehrer oder Bergführer erforderlich. Wünschenswert dagegen sind eine gute Kondition und Höhenerfahrung.

 

Drei Akrobatinnen bei der SZP Ausbildung.

 

Mit der Höhe kennt Louise sich aus, denn sie hat als Zirkusartistin und Trapezkünstlerin für große Zirkusse wie z.B. Cirque du Soleil gearbeitet.
„Mein Vater ist Bergführer und ich liebe das Klettern“, so Louise.

„Als Trapezkünstlerin verbringe ich viel Zeit in luftiger Höhe. Ich möchte meine Kompetenzen im Bereich der Installation (Seilsysteme usw.) erweitern.

Und außerdem“, fügt Louise noch hinzu, „habe ich so ein zweites Standbein.“ Der Beruf des Seilzugangstechnikers ist längst nicht mehr ein reiner Männerberuf. Immer mehr junge Frauen wie Louise und Lucie absolvieren eine SZP Ausbildung, oftmals mit dem Ziel, ihren Lebensunterhalt in diesem Beruf zu verdienen.

Das trifft auf Lucie zu. Die Pariserin will in Super Dévoluy im Departement Hautes-Alpes als Saisonkraft arbeiten. Im Sommer arbeitet sie zusammen mit ihrem Bruder, der als Baumpfleger tätig ist. „Die SZP Ausbildung erschien mir einfach logisch“, erklärt Lucie.

„Ich habe auch im Bereich Marketing und Kommunikation gearbeitet, aber eine Tätigkeit im Freien, an der frischen Luft ist mir lieber. Deshalb habe ich beschlossen, den Schritt zu wagen und die Ausbildung zu absolvieren.“

 

Vorführung einer Übung durch Hervé, Ausbilder bei Atout Corde.

 

Die von der Facheinrichtung Atout Corde angebotene Ausbildung dauert fünf Wochen: „Das ist ziemlich kurz“, so Hervé, dem als Ausbilder die schwierige Aufgabe zufällt, seine Kompetenzen in mehreren Modulen zu vermitteln.

Das erste Modul befasst sich mit der Ausrüstung im Hoch- und Tiefbau und an Felswänden (Einrichten von Anschlagpunkten, von Geländerseilen und Arbeitsplätzen). Im zweiten Modul wird näher auf die Techniken im städtischen und industriellen Umfeld eingegangen. Das dritte Modul ist sehr umfangreich und behandelt die Themen Seilrettung und Heben von Lasten.

 

Die Teilnehmerinnen in voller Aktion bei den praktischen Übungen der SZP Ausbildung.

 

Es schließen sich noch zwei weitere kürzere Module an, die der Ausbildung in den Bereichen Rettung am Arbeitsplatz und PSA-Überprüfung gewidmet sind. Das fünfwöchige Ausbildungsprogramm ist also ziemlich intensiv. Die Teilnehmer werden an den Einsatz am Fels und in verschiedenen Bereichen der Industrie herangeführt.

An diesem Tag sieht das Programm die Einrichtung und die Benutzung von zwei Hilfsseilbahnen vor: eine horizontale und eine geneigte Seilbahn, um einen im Prinzip „unerreichbaren“ Zugang zu simulieren. Die Seilbahn ist ein Kinderspiel für Myriam, der das Befahren einen Riesenspaß macht.

 

Ein Moment der Entspannung während des Lehrgangs.

 

Auch sie kommt aus dem Veranstaltungsbereich und arbeitet als Luftakrobatin für den Zirkus und unabhängige Unternehmen.

Die Vertikaltuchakrobatik ist eine Form der Luftakrobatik, bei der die Artisten Akrobatik an Tüchern vorführen, die - oftmals mehrere Meter über dem Boden - aufgehängt sind.

Warum machen Sie die SZP Ausbildung? „Weil ich in meinem Beruf dramatische Unfälle erlebt habe“, so Myriam, die gelernt hat, mit welchen Gefahren ihr Beruf verbunden ist. „Ich will mein Leben künftig nur noch Installationen anvertrauen, die ich selbst kontrolliert und nach den Regeln der Technik eingerichtet habe.“

 

Vermitteln der Grundregeln für die Fortbewegung am Seil in einem professionellen Rahmen.

 

Die Ausbildung in der Seilzugangs- und Positionierungstechnik ist für Myriam der heilige Gral der Technik. Obwohl sie beruflich viel Zeit in der Höhe verbringt, waren ihr bisher weder die Regeln für die Fortbewegung am Seil noch die Techniken für die Einrichtung eines Anschlagpunktes oder eines Geländerseils geläufig.

 

Jede von ihnen lernt, was in den einzelnen Schritten der Installation einer Seilbahn zu tun ist.

 

Als es am Nachmittag darum geht, eine Last von 100 Kilo zu heben, liegt die Lösung des Problems nicht in der Muskelkraft der Arme, sondern in der Teamarbeit und im Einsatz der richtigen Arbeitsgeräte und Techniken, wobei die Sicherheit stets im Vordergrund steht, wie Hervé betont. Ein Wort, das die jungen Frauen, die stolz darauf sind, diesen Beruf zu erlernen, in Zukunft an ihren Arbeitsplätzen in der Höhe nicht mehr vergessen werden.

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