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Petzl Topo Direkter Südostpfeiler

//Großer Koppenkarstein, Dachsteingebirge// Alpiner Klassiker in gutem Fels mit interessanter Erschließungsgeschichte. An sonnigen Wintertagen auch als Kombination Ski & Climb möglich. Außerdem: Tipps für die richtige Tourenvorbereitung von Bergführer Nils Beste. Für eure Begehung könnt ihr euch das von Julius Kerscher gezeichnete Topo am Ende des Artikels herunterladen.

20 August 2024

Mehrseillängenrouten

 

Der direkte Südostpfeiler am großen Koppenkarstein bietet klassische Kletterei durch Kamine und Risse in bestem rauen Fels. Noch im Jahr der Erstbegehung (1963) durch H. Peterka und F. Proksch fanden die Wiederholer Perner und Walcher einen Direkt Ein -und Ausstieg, der bis heute üblicherweise geklettert wird. Die Route ist nicht saniert und bietet genügend Möglichkeiten für sicherungstechnische Eigeninitiative. 

 

 

Was sind für dich die wichtigsten Infos, die du zur Planung einer Tour brauchst?

 

Ich denke, die wichtigsten Faktoren sind Wetter- und Zeitmanagement. Ich plane immer eine dem Wetterfenster angepasste Tour. Um da die passende Tour auszuwählen, benötige ich Infos zur Tour wie: Dauer, Länge des Zu- und Abstiegs, benötigtes Material, Absicherung. All das sind aber natürlich immer nur Anhaltspunkte und je nach Erfahrung und Kletterkönnen kann ich diese Angaben natürlich deutlich unterbieten, aber auch viel länger unterwegs sein.

Deswegen muss ich eine ehrliche Selbsteinschätzung haben. Die sammle ich mit zunehmender Erfahrung, indem ich zum Beispiel merke: "Hey, ich bin oft 20% schneller als im Kletterführer angegeben.” Oder auch umgekehrt..

Und dann spielen noch andere Faktoren eine Rolle: In einer Dreierseilschaft bin ich zum Beispiel langsamer als in einer Zweierseilschaft.


 

Welche Informationen aus dem Topo sind für dich bereits vor Tourantritt wichtig?

 

Als erstes natürlich der Schwierigkeitsgrad verbunden mit der Absicherung und der Frage: Komme ich die Tour überhaupt hoch? 😀

Aber mal vorausgesetzt, dass ich mir die Tour in dem Wissen auswähle, ihr gewachsen zu sein, dann sind für mich vor allem folgende Aspekte wichtig: Wie lang ist die Tour (Stichwort Zeitmanagement, s.o.)? Wie gut ist sie abgesichert? Eigenständiges Absichern und vor allem eigenständiger Standplatzbau fressen viel Zeit und sind anspruchsvoller.

Dann auch die Frage: Wie anhaltend sind die Schwierigkeiten? Sind sie dauerhaft rund um mein maximales Onsight-Niveau und nicht gut abgesichert, dann schaffe ich im Schnitt vielleicht zwei Seillängen pro Stunde. Sind sie leichter, kann eine zügige Seilschaft auch drei, vier oder vielleicht sogar mehr SL pro Stunde schaffen.

Dann interessieren mich natürlich Infos zur Länge vom Zu- und Abstieg, die Exposition und Höhenlage der Tour. Die Frage, ob ich besondere Ausrüstung brauche, z.B. bei Zu- oder Abstiegen über Gletscher.

Dann will ich unbedingt wissen, ob ich über die Tour abseilen kann oder ob ich zu Fuß absteigen muss. Das entscheidet über die Logistik, zum Beispiel ob ich meinen Rucksack durch die Wand trage. Oder ob ich ihn an einem Ort deponieren kann, an dem ich im Abstieg wieder vorbeikomme.


 

Was darf in deinem Rucksack nie fehlen?
 

Hm, grundsätzlich bin ich Minimalist, deswegen darf schon einiges fehlen bzw. sollte möglichst erst gar nicht drin sein. Aber wirklich immer dabei habe ich ein Erste-Hilfe-Set in meiner Seilschaft. Außerdem ein paar Notfall-Ausrüstungsgegenstände für die behelfsmäßige Bergrettung wie Reepschnur, Nano Traxion und Messer. Das kann ich aber auch alles am Klettergurt tragen und in nicht zu langen Touren, über die ich wieder abseile, reicht das dann auch schon. Also habe ich öfters auch gar keinen Rucksack dabei, zumindest beim Klettern.
Ansonsten, bei einer längeren Tour oder einem Abstieg zu Fuß, kommen natürlich Essen, Trinken, warme Kleidung und Zustiegsschuhe zusätzlich zur ganzen Kletterausrüstung dazu.

Und bei wirklich großen Touren habe ich dann auch Biwakausrüstung dabei.


 

Was sind Gründe für dich, eine Tour abzubrechen?
 

Angenommen ich habe ansonsten gut geplant, d.h. die Wand ist trocken, das Wetter passt, mein/e Kletterpartner/in und ich sind den Schwierigkeiten gewachsen (bei nicht Eintreffen wären das natürlich schon Gründe zum Umkehren), dann ist der wichtigste Umkehrgrund für mich, dass ich meinem Zeitplan hinterher laufe. Das kommt aber mit zunehmender Erfahrung netterweise immer seltener bis gar nicht mehr vor.

Natürlich behalte ich aber auch das Wetter im Auge und kehre ggf. um, falls es sich anders entwickelt als angekündigt. Besonders im Frühsommer bei labiler Hochdrucklage tun sich auch die modernsten Wetterberichte schwer, Gewitter vorauszusagen.

Neulich an der Laliderer Nordwand sind wir aber trotzdem umgekehrt, obwohl alle oben genannten Faktoren gepasst haben: Wir waren fit, der Zeitplan und das Wetter haben gestimmt. Und wir haben trotzdem abgeseilt. Das lag daran, dass schon eine Seilschaft vor uns in die Tour eingestiegen war und wir uns nicht dem Risiko aussetzen wollten, Steinschlag von ihnen abzubekommen. Das war ganz schön frustrierend, weil nichts vorgefallen war. Aber wir haben uns trotzdem zu dieser Vernunftentscheidung gezwungen, weil die Wand einfach zu brüchig ist.

 

Hast du immer einen Plan B für jede Tour? Was sind gute Alternativen?
 

Hmm, ehrlich gesagt, nein, ich habe nicht immer einen Plan B. Außer natürlich die Möglichkeit abzubrechen - das kann man natürlich immer als Plan B ansehen. Aber manchmal geht es ja einfach um eine bestimmte Tour, oder?

Aber natürlich gehe ich je nach Gebiet, Wetter und Tour mit mehr oder weniger Alternativen an die Tour ran. Weiß ich, dass es gestern noch geregnet hat und die gewünschte Tour könnte nass sein, dann habe ich natürlich auch ein paar Topos von anderen Touren dabei und auch den Satz Friends mehr, falls die Ausweichtouren mehr Eigenengagement verlangen. Aber weiß ich sicher, dass alles passt und die Kletterpartner sind der Tour gewachsen, dann kann ich mich auch mal sehr festlegen. Und falls es nicht klappt, muss ich halt umdrehen.

Generell spielt der Plan B natürlich bei der Planung immer eine Rolle: Ich kann z.B. nur Abseilen, wenn ich mit Halbseilen unterwegs bin. Aber manchmal bietet mir ein Einfachseil - und damit die Möglichkeit am laufenden Seil zu klettern - so viel Zeitgewinn, dass ich mich trotzdem dafür entscheide. Das ist dann je nach Tour eine recht kompromisslose Entscheidung, weil ein Rückzug dann sehr schwierig werden kann. Dann müssen alle anderen Faktoren passen: Wetter, Bedingungen, Kletterpartner etc. Letztlich ist es immer ein Risikomanagement, bei dem ich eine Abwägungsentscheidung treffe. Schnelligkeit ist definitiv immer auch Sicherheit!

Zu guter Letzt aber: Manchmal genieße ich es auch, ohne festgelegten Plan zu einer Wand hochzugehen und erst oben ins Topo zu schauen und zu entscheiden, welche Tour es wird.


 

Welchen Einfluss hat das Gebiet auf die Routenauswahl? 

 

Natürlich hat das Gebiet einen großen Einfluss auf meine Tourenwahl. Ich vermute fast jedem, der länger klettert, geht es so, dass ihm mit den Jahren auffällt, dass er oder sie oft zur gleichen Jahreszeit in den gleichen Gebieten unterwegs ist. Das hat auch etwas mit Risikomanagement zu tun: Nur zur warmen Jahreszeit in die kalten Nordwände. Oder nur im trockenen Herbst in die Wände, die lange feucht bleiben. Die Exposition und Höhenlage eines Gebiets spielen also eine große Rolle bei meiner Tourenwahl.
Ich erinnere mich, dass ich mir früher manchmal unbedingt eine bestimmte Tour in den Kopf gesetzt habe, und die dann beim nächsten Wetterfenster angegangen bin. Unabhängig davon, ob die anderen Faktoren gepasst haben: Nullgradgrenze, Niederschlag in der letzten Zeit, Schneelage etc. Da habe ich öfter Lehrgeld gezahlt und einmal bei einem Unfall auch viel Glück gehabt. Vermutlich ist das eine Entwicklung, die viele Alpinisten durchmachen: Dass sie ihre Routenwahl mit zunehmender Erfahrung mehr den Bedingungen anpassen. Bei ganz großen Touren, sehr bedingungsabhängigen Eistouren in Chamonix oder lange feuchten Felstouren zum Beispiel, kann das bedeuten, dass ich unter Umständen Jahre auf die richtigen Bedingungen warten muss.

 

 

Gibt es irgendwelche Checks, die du unmittelbar vor Tourenbeginn nochmal durchgehst?
 

Ja, je nach Anspruch der Tour habe ich auf jeden Fall diverse Checks. Angefangen beim Partnercheck am Einstieg, über den Materialcheck mit meinem Kletterpartner am Parkplatz bis hin zum Wettercheck. Ist das gute Wetter wirklich essentiell, werfe ich z.B. noch einen Blick aufs Regenradar, und das so kurz wie möglich vor Tourantritt. Zum Beispiel beim Verlassen des Empfangsbereichs vom Handynetz, wenn in der Tour kein Empfang ist.
 

Was lernt man im Laufe der Jahre beim Thema Tourenplanung?
 

Eine akribische Planung hilft immer. Ich denke, je unerfahrener man ist, desto mehr lernt man dabei: Zum Beispiel beim Abgleich von Planung vs. Realität im Anschluss an die Tour. Klar, man sollte mit zunehmender Erfahrung nicht in die Routinefalle tappen, aber man tut sich dann mit einer soliden Planung einfacher und ist viel effizienter.

 

Großer Koppenkarstein: Direkter Südostpfeiler

 

Schwierigkeit: 
7 oder klassisch 6- A1, 8 SL, 400m

Kletterzeit:
3,5 - 5,5 Stunden

Erstbegeher:
H. Peterka, F. Proksch 16.9.1963
Direkteinstieg: P. u. H. Perner, K. Walcher, 13.6.1963
Direktausstieg: P. Perner, K. Walcher 21.7.1963

Absicherung und Ausrüstung:
Großteils Schlaghaken älteren Datums, vereinzelte Bohrhaken, Stände müssen teilweise selbst nachgebessert werden
Unsere Empfehlung: 12 Expressschlingen, BD Friends bis Größe 4, Klemmkeile, 60m Halbseil

Ausgangspunkt:
Ramsau am Dachstein. Zustieg über die Austriahütte. Über den Edelgrießferner zur Edelgrießhöhe und zum Einstieg auf 2465m, wenige Meter links des tiefsten Pfeilerpunktes (3,5h).  Zustiegsverkürzung mit der Dachsteinbahn möglich und empfohlen. (

Abstieg:
Weiter zum Gipfel und über den Westgrat zu einer Radarstation. Von dort über den Klettersteig zurück zur Austriahütte (2,5 Stunden). Abseilen über “Harte Arbeit” oder “Metamorphose” möglich, aber nicht empfohlen. 

Topo: 
Download Topo

Fotos: © Nils Beste / Julius Kerscher
Topo: © Julius Kerscher
Text: © Nils Beste / Felix-Immanuel Achtner

 

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