DIE BALANCE FINDEN: CHRIS SHARMAS INSPIRIERENDE SICHT AUF DAS LEBEN
Chris Sharma ist einer der bekanntesten Namen im Sportklettern. Er hat die Grenzen dieser Disziplin verschoben, neue Schwierigkeitsgrade erreicht und die Klettercommunity auf der ganzen Welt inspiriert. Der Petzl-Athlet ist nicht nur für seine beeindruckenden Leistungen am Fels und beim Bouldern bekannt, sondern auch als Pionier, der einige der schwierigsten und begehrtesten Routen der Welt eröffnet hat. Sein innovativer und vielseitiger Ansatz und seine ansteckende Motivation haben ihn zu einer legendären Figur im Kletterkosmos gemacht. Heute ist er Sportler, Familienvater und Unternehmer. In diesem spannenden Gespräch verrät uns Chris Sharma seine Kletterphilosophie und seine wichtigsten Lebensprinzipien.
19 Februar 2025
Hallen-und Felsklettern
Wenn Klettern das Leben bestimmt
Chris Sharma schlüpfte 1993 in sein erstes Paar Kletterschuhe. Dies war der Beginn einer intensiven Leidenschaft, die ihn auch 30 Jahre später noch begeistert. Seine Sicht auf das Klettern, sein Niveau und seine Motivation haben sich im Laufe der Jahre entwickelt und sind eng mit den verschiedenen Phasen seines Lebens verbunden, die ihm manchmal andere Möglichkeiten eröffneten. „Viele meiner wichtigsten Karriere-Errungenschaften fallen in bestimmte Phasen meines Lebens. Ich konnte nie immer in die gleiche Richtung gehen“, erklärt er.
„Klettern ist der Sport, der mich in den verschiedenen Phasen meines Lebens begleitet hat, von der Kindheit über die Jugend bis zum Erwachsenenalter und heute als Vater und Unternehmer. Das Klettern zieht sich wie ein roter Faden durch all diese Phasen."
Auf die größten Erfolge seiner Kletterkarriere folgten jedoch oft schwierigere Zeiten. Seine Motivation war sein einziger Kompass und für Chris „ist es wichtig, diese Momente der Leistungspause zu nutzen, um andere Dinge zu tun, sich anders zu entwickeln oder neue Erfahrungen zu machen.“ Chris als Profisportler weiß auch, wie wichtig es ist, genügend Raum für andere Dinge zu lassen. „Ich habe immer versucht, das Klettern spontan anzugehen und mich vom Moment inspirieren zu lassen. Das klappt leider nicht immer, und in solchen Momenten ist es gut, ein wenig abzuschalten. Wenn die Motivation zurückkommt, ist es als würde ich das Klettern neu entdecken und mich wieder ganz frisch ins Klettern zu verlieben."
Den Horizont erweitern
Wenn es in seiner Kletterkarriere mal nicht voran ging, wandte sich Chris anderen Aktivitäten zu. „Ich brauchte Zeit, um mich als Unternehmer zu etablieren und meine Marke aufzubauen. Sharma Climbing war ein neues Abenteuer und eine neue Herausforderung, etwas Bleibendes zu schaffen, das über das Dasein als Profisportler hinausgeht." Weit entfernt von der finanziellen Sicherheit, die Spitzensportlern und Spitzensportlerinnen in anderen Sportarten genießen, baut Chris mit seiner Marke ein langfristiges, stabiles Projekt auf. "Dadurch kann ich es genießen, einfach nur Kletterer zu sein."
Sich zu diversifizieren und Neues zu lernen, ist für den mittlerweile 42-jährigen Kletterer eine weitere Motivationsquelle: „In den letzten Jahren habe ich zwei Kletterhallen gebaut und als ausführender Produzent eine Fernsehsendung über diesen Sport für einen amerikanischen Sender produziert. Durch diese Erfahrungen habe ich viel gelernt. Durch das Ausprobieren habe ich auch gemerkt, wie sehr ich das Klettern liebe und dass es das ist, was ich am besten kann."
Das eigene Gleichgewicht finden
Spitzenkletterer, Familienvater und Unternehmer - wie bringt man das alles unter einen Hut? Für Chris steht fest: „Es ist wichtig, sich voll und ganz auf den Prozess einzulassen, ohne darüber nachzudenken, wann das Ziel erreicht ist. Man muss jeden Entwicklungsschritt eines Projekts genießen. Wenn man wenig Zeit hat, ist es wichtig, Prioritäten neu zu setzen."
Chris lebt mit seiner Familie in Barcelona und damit in der Nähe von zahlreichen Klettergebieten, die in seinem Leben eine besondere Rolle spielen. So kann er weiterhin auf hohem Niveau klettern, seine Grenzen weiter verschieben und gleichzeitig seiner Rolle als Vater von zwei kleinen Kindern gerecht werden. "Für mich schafft das Gleichgewicht zwischen Klettern und Familie eine gute Synergie, in der ich mich entfalten kann." Was könnte besser sein? Er fügt hinzu: „Mir ist es wichtig, ein einfaches und stabiles Leben zu führen. Meine Prioritäten sind klar: Familie, Klettern und Freunde. Alles andere ist nur ein Bonus."
Chris ist ruhig und gelassen und scheint sein Gleichgewicht gefunden zu haben, er weiß was er will und wie er es erreichen kann. Eine durch Erfahrung gewonnene Stärke? „Meine Ziele sind jetzt ganz persönlicher Natur und nicht mehr extern motiviert. Es geht nicht darum, der beste Kletterer der Welt zu sein, sondern um persönliche Zufriedenheit".
Die Rückkehr zum Spitzenniveau: Sleeping Lion (9b)
Obwohl Chris intensiv mit beruflichen Projekten beschäftigt war, fasste der Mann, der für seine „Kinglines“ bekannt ist, einen Entschluss: Er wollte dem Klettern wieder eine klare Priorität in seinem Leben einräumen. So begann er die Arbeit am Projekt Sleeping Lion (9b) in der Nähe seines Wohnortes. Die schnelle Erreichbarkeit ermöglichte ihm, eine gesunde Routine zu entwickeln. „Beständigkeit ist entscheidend. Jede Woche an einem Projekt zu arbeiten, erhöht die Erfolgschancen. Sieben Jahre ist es mir nicht gelungen, ein hohes Niveau zu erreichen, das war frustrierend. Da habe ich verstanden, dass Beständigkeit in den täglichen Gewohnheiten unerlässlich ist." Als er begann, "Sleeping Lion" zu projektieren, wusste er, dass er andere Projekte vernachlässigen musste, um bei diesem erfolgreich zu sein. „Es war der richtige Zeitpunkt für mich. Es war eine Erleichterung, meine Prioritäten klar zu definieren."
Der Spitzenkletterer fährt fort: „Wenn man sich trotz aller Zweifel zu 100 Prozent auf den Prozess einlässt und das Ziel vielleicht auch nicht erreicht, weiß man, dass man alles getan hat, was man tun konnte. Um sein Potenzial voll auszuschöpfen, muss man sich einer Sache voll und ganz widmen und darf sich nicht verzetteln. Wenn man den Prozess akzeptiert und sich nicht um die Ziellinie sorgt, kann man auch die kleinen Siege auf dem Weg genießen".
Konsequenz, Engagement für den Prozess und klare Prioritäten - Ratschläge, die Kletternden bei allen Schwierigkeitsgraden helfen können.
Beziehungen knüpfen
Chris ist in der internationalen Kletterszene bekannt und anerkannt, bleibt aber bescheiden. „Es ist toll, wenn die Weltspitze des Kletterns meine Routen versucht, das ist eine Art Bestätigung für mich. Es ist wie in der Musik: Du ist darauf angewiesen, dass dein Lied aufgenommen und gehört wird. Klettern ist nicht nur eine persönliche, sondern auch eine gemeinschaftliche Erfahrung, bei der wir koexistieren und uns gegenseitig unterstützen. Der Einfluss der Kletternden vor mir hat eine wichtige Rolle in meiner eigenen Karriere gespielt, und es ist großartig, Teil der Karriere anderer zu sein. Dieser Austausch von Inspiration und Ideen zwischen den Generationen ist die Lebenskraft der Evolution. Im Klettersport ist diese Weitergabe von Wissen und Erfahrung reichhaltig und unverzichtbar. Es ist ein Lernprozess, bei dem wir zum Fortschritt jedes und jeder Einzelnen beitragen und so eine Gemeinschaft bilden."
Die Zukunft wird für Chris spannend bleiben. Sie bietet uns allen immer wieder aufs Neue endlose Möglichkeiten.
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