Bei einem Sturz auftretende Kräfte
Die in der Literatur und im Internet genannten Werte bezüglich der bei einem Klettersturz auftretenden Kräfte stammen meistenteils aus digitalen Tests und Modellen und stützen sich auf das normative Modell (starre Lasten, Sturz in einen Fixpunkt usw.). Diese hohen Werte basieren auf sehr strengen Tests. Um die tatsächlich in der Praxis auftretenden Kräfte zu bestimmen, haben wir eine Reihe von Stürzen mit Kletterern in drei Konfigurationen durchgeführt, die drei verschiedenen Sturzfaktoren entsprechen.
Warnhinweis
- Lesen Sie die Gebrauchsanweisungen der Produkte, um die es in diesem Tech Tipp geht, aufmerksam durch, bevor Sie diesen zu Rate ziehen. Um diese Zusatzinformationen verstehen zu können, müssen Sie zuerst die in der Gebrauchsanweisung enthaltenen Informationen richtig verstanden haben.
- Die Beherrschung dieser Techniken setzt eine entsprechende Ausbildung und ein spezielles Training voraus. Prüfen Sie zusammen mit einem Profi, ob Sie in der Lage sind, den Vorgang alleine sicher zu wiederholen, bevor Sie ihn eigenständig durchführen.
- Wir geben Beispiele für die mit Ihrer Aktivität verbundenen Techniken. Möglicherweise gibt es noch andere Techniken, die hier nicht beschrieben werden.
Die dargestellten Ergebnisse gelten ausschließlich für die getesteten Konfigurationen und sind nicht auf alle Situationen übertragbar. Sie ermöglichen es jedoch, Werte für Stürze mit lebenden Personen zu ermitteln. Um die Wiederholpräzision unseres Protokolls zu gewährleisten, wurde jeder Test mindestens dreimal wiederholt.
Hinweise
Trotz unseres Bemühens um Präzision enthalten die Ergebnisse eine hohe Messunsicherheit. Sie wird auf + oder - 0,3 kN geschätzt. Die dargestellten Kräfte entsprechen dem Mittelwert der Wiederholungen und wurden auf 0,5 kN gerundet.
Wir haben uns auf die auf den Kletterer, den Sichernden und die letzte Zwischensicherung einwirkenden Kräfte konzentriert. Mit dem Wert der einwirkenden Kräfte allein lässt sich jedoch ein Sturz nicht bewerten. Bei der Härte eines Sturzes kommen noch weitere Faktoren wie Belastungszeit und Belastungsrichtung ins Spiel. Diese Faktoren werden hier nicht untersucht und werden in einer späteren Publikation behandelt.
Sturzfaktor 0.3
Diese erste Serie entspricht einer normalen Konfiguration beim Klettern.
Testbedingungen
- Kletterer: 80 kg
- Sichernder: 80 kg
- Ausgegebenes Seil: 6,9 m
- Sturzhöhe: 2 m
- Seil: VOLTA 9,2 mm
- Sicherungsgerät: GRIGRI 2
Um eine gewisse Wiederholpräzision zu gewährleisten, stürzt der Kletterer immer aus der gleichen Position und der Sichernde bleibt neutral (der Sturz wird nicht dynamisch gesichert).
Bei diesem Test wurde die erste Zwischensicherung nicht geclippt, um die Bewegung des Sichernden nicht zu blockieren.
Ergebnisse
Kletterer
Fangstoß ≈ 2,5 kN
Der Kletterer empfindet den Sturz als gedämpft.
Trotz der geringen Sturzhöhe legt der Kletterer eine beträchtliche Strecke zurück.
Sichernder
Fangstoß ≈ 1.5 kN
Der Sturz ist für den Sichernden leicht abzubremsen.
Fixpunkt
Fangstoß ≈ 4 kN
Hinweis
Trotz der geringen Sturzhöhe wird der Kletterer erst kurz über dem Boden abgefangen. Die lange Sturzstrecke lässt sich durch zwei Faktoren erklären:
- da der Routenverlauf geradlinig ist, tritt in den Zwischensicherungen wenig Reibung auf
- da die erste Zwischensicherung nicht geclippt wurde, kann sich der Sichernde ungehindert bewegen
Dies ist eine klassische Situation in der Halle, wo das wesentliche Risiko im Aufprall auf den Boden besteht.
Tipp
Durch systematisches Clippen der ersten Zwischensicherung wird das Risiko eines Aufpralls auf den Boden reduziert und die Bewegung des Sichernden eingeschränkt.
Sturzfaktor 0.7
Diese zweite Konfiguration entspricht einem Sturz zu Beginn einer Seillänge in einer Mehrseillängenroute.
Testbedingungen
- Kletterer: 80 kg
- Sichernder: 80 kg
- Ausgegebenes Seil: 3 m
- Sturzhöhe: 2 m
- Seil: VOLTA 9,2 mm
- Sicherungsgerät: GRIGRI 2
Der Sichernde ist mit einem Verbindungsmittel von 80 cm am Standplatz gesichert. Die Länge richtet sich nach der Position des Standplatzes: Da der Sichernde unter einer Kante steht, wird seine Bewegungsmöglichkeit durch das 80 cm lange Verbindungsmittel reduziert.
Der Standplatz bietet keine Bewegungsfreiheit, er entspricht einem Fixpunkt. Wir haben dieses Beispiel gewählt, um die Wiederholpräzision der Tests zu erhöhen. Ein klassischer Standplatz würde die Bewegungsfreiheit des Sichernden erhöhen und die einwirkenden Kräfte reduzieren. Die letzte geclippte Zwischensicherung hat dagegen eine große Bewegungsfreiheit. Bei einem weniger langen Sicherungspunkt würden höhere Kräfte auftreten.
Ergebnisse
Kletterer
Fangstoß ≈ 3 kN
Der Sturz ist spektakulär aber nicht schmerzhaft für den Kletterer.
Sichernder
Fangstoß ≈ 2 kN
Die einwirkenden Kräfte sind nicht sehr hoch, aber der Sichernde wird am Standplatz ruckartig abgebremst. Das Abfangen des Sturzes kann heikel sein, wenn der Sichernde nicht darauf vorbereitet ist.
Fixpunkt
Fangstoß ≈ 5 kN
Hinweis
Eine erste Testreihe wurde ohne Umlenkung am Standplatz durchgeführt. Da die erste Zwischensicherung gegenüber dem Stand nach rechts versetzt ist, wirkt beim Sturz eine seitliche Kraft auf den Sichernden ein und dieser wird ruckartig von seinem Verbindungsmittel gebremst. Eine solche Krafteinwirkung ist für den menschlichen Körper schwer zu ertragen.
Tipp
Wenn sich die Umlenkung in der Fluchtlinie des Standplatzes (oder am Standplatz) befindet, ist das Abfangen des Sturzes für den Sichernden weniger schmerzhaft und folglich einfacher.
Sturzfaktor 1
Diese Konfiguration entspricht einem Sturz vom Standplatz in einer Mehrseillängenroute.
Testbedingungen
- Kletterer: 80 kg
- Sichernder: 80 kg
- Ausgegebenes Seil: 3,6 m
- Sturzhöhe: 3,6 m
- Seil: VOLTA 9,2 mm (Fangstoß: 8,6 kN)
- Sicherungsgerät: GRIGRI 2
Der Sichernde ist mit einem Verbindungsmittel von 80 cm am Standplatz gesichert.
Der Standplatz bietet keine Bewegungsfreiheit, er entspricht einem Fixpunkt.
Ergebnisse
Kletterer
Fangstoß ≈ 4 kN
Ein solcher Sturz ist für den Kletterer spektakulär und tritt in der Praxis selten auf. Die auf den Kletterer einwirkende Kraft ist erträglich.
Sichernder
Fangstoß ≈ 2 kN
Wie beim Sturzfaktor 0,7 wird der Sichernde am Standplatz ruckartig gebremst: Das Abfangen des Sturzes kann schmerzhaft und heikel sein.
Fixpunkt
Fangstoß ≈ 6 kN
Hinweis
Die auf den Fixpunkt einwirkenden Kräfte sind sehr hoch.
Für einen absolut sicheren Fixpunkt sind diese Kräfte kein Problem.
Bei einem ungewissen Fixpunkt (kleiner Klemmkeil oder zweifelhafter Felshaken) ist eine solche Belastung jedoch kritisch.
Tipp
Die Bewegung des Sichernden trägt dazu bei, die Sturzenergie aufzunehmen und somit die einwirkenden Kräfte zu reduzieren. Es ist daher ratsam, dass der Sichernde über ein langes Verbindungsmittel verfügt, um sich bewegen zu können Die Länge muss selbstverständlich der Umgebung angepasst sein.
Die erste Zwischensicherung nach dem Standplatz muss absolut sicher sein.
Schlussfolgerung
Diese Tests haben es ermöglicht, Werte für Stürze mit lebenden Personen zu ermitteln. Sie sollen uns im Folgenden als Grundlage dienen, um spezielle Punkte bei einem Sturz zu untersuchen.