Skitour um den Mount Aspiring: Neuseeland ist immer für Überraschungen gut!
Thomas Vialletet, Nick Morgans und Beck McWatters, passionierte Reisende und Bergführer, hatten einen verrückten Traum: Sie wollten die Southern Alps, Neuseelands größte Bergkette, mit Ski und ohne motorisierte Transportmittel durchqueren. 2015 machten sie sich auf den Weg, ihren Traum zu verwirklichen. Heute berichtet Thomas Vialletet über die Expedition, die sie gelehrt hat, was es heißt mit unerwarteten Ereignissen fertig zu werden.
24 Oktober 2016
Bergsteigen
Nick & Beck auf dem Upper Volta Glacier
Die Verfolgung eines Traums
Neuseeland mit seiner zerklüfteten Landschaft besteht aus zwei Hauptinseln. Auf der größeren, aber am wenigsten bevölkerten Südinsel erstrecken sich die Southern Alps, die größte Gebirgskette dieses Landes, deren Kamm den Namen Main Divide trägt. Unsere zugegeben ziemlich ausgefallene Idee war, diese Bergkette von Osten nach Westen über die Main Divide bis zum Fuß des Mount Cook in einigen Tagen und ohne motorisierte Transportmittel zu überqueren.
Shovel Flat im oberen Teil des Matukituki Valley.
Programmänderung gleich am Anfang!
Das ohnehin schwer zugängliche Gebirgsmassiv der Southern Alps sollte für uns unerreichbar bleiben. Der Grund: Das Verbot der Landbesitzer, aufgrund der bevorstehenden Geburt der Lämmer ihre Weiden zu betreten. Und es war gerade Hochsaison! Unser anfänglicher Plan war damit gescheitert und wir mussten uns für die Erkundung des weiter südlich gelegenen Massivs des Mount Aspiring entscheiden. Der Gedanke einer Querung von Süden nach Norden oder der Umrundung des Mount Aspiring war verlockend, da dies bisher noch niemand gemacht hatte.
Ausrüstung für den Trip auf dem Parkplatz / Aufbruch mit einem großen Rucksack zum French Ridge Hut… Mehr als 7 Std.!
Wir brachen mit 5 Tage Verpflegung und Skiern auf dem Rücken auf und ließen die Autos in Rasberry Creek, im Matukitu Valley, zurück. Ein langer Marsch durch das für Neuseeland typische Buschgebiet bereitete unsere Beine auf das Kommende vor. 15 km und 1000 Höhenmeter weiter erreichten wir endlich die erste Hütte, die French Ridge Hut, 1450m, nahe dem Mount Aspiring.
Nick auf der French Ridge Hut / Trocknen der Ausrüstung / French Ridge Hut unter neuseeländischem Himmel
Eine Expedition zwischen Magie und schlechtem Wetter
Nach einer erholsamen Nacht konnten wir endlich die Skier anlegen. Das Wetter war klar, kalt und leicht windig. Aber als wir den Fuß auf den Gletscher setzten, wurden wir bereits von tiefen Wolken erfasst, erste Anzeichen eines kleinen Tiefs, das ein paar Zentimeter Neuschnee brachte. Wir machten uns in dieser weißen Unendlichkeit zur Colin Todd Hut, 1750 m, an der Westflanke des Mt Aspiring auf.
Inhalt des Rucksacks / Auf dem Anmarsch zum Quaterdeck zwischen French Ridge Hut und Colin Todd Hut
Begegnung im Nebel
In der Nacht waren drei Neuseeländer, die wir in der Hütte kennen gelernt hatten, zum Aufstieg des Mt. Aspiring aufgebrochen. Ein paar Stunden später sahen wir sie im dicken Nebel auf ihrer Rückkehr vom Gipfel wieder. Nach einigen Kurven und einem gepflegten Aufstieg fanden wir Zuflucht in der Colin Todd Hut. Draußen tobte ein regelrechtes Unwetter. Uns kamen Zweifel auf hinsichtlich der Wetterbeständigkeit für den weiteren Verlauf unseres Unternehmens. Wir beschlossen, im Tal anzurufen und uns nach den neuesten Wettermeldungen zu erkundigen. Man erklärte uns, dass sich die Wolken am Morgen für ein paar Stunden auflösen und einem strahlend blauen Himmel Platz machen würden. Wir setzten also unsere Tour fort und tauschten den Komfort der Hütte gegen das Unbekannte ein.
Mount French und Bonnard Glacier nach einer stürmischen Nacht von der Colin Todd Hut aus / Nick & Beck halten Ausschau nach dem Weg oberhalb des Lower Volta Glacier / Der Tour-Gurt von Petzl mit seinem äußerst nützlichen Eisschraubenhalter.
Auf dem Thermal Glacier, unberührte Flanke des Mount Aspiring mit Blick auf den Waiatoto Lake und die Wilderness Area.
Becken des Lower Volta Glacier.
Entscheidung fürs Abenteuer!
In das nördliche Becken des Mount Aspiring dringen nur wenige Menschen vor. Wir dürften zu den 10 ersten Skitourengehern gehören, die hierhergekommen sind. Es ist ein Gebiet mit großen steilen Gletschern und vielen Spalten, wo es nicht einfach ist, seinen Weg zwischen den tiefen Löchern zu finden. Der Tag verging schnell. Wir bewegten uns in einem schwierigen Gelände, wo der Rückzug immer schwieriger werden würde… bis es kein Zurück mehr gäbe. Aber wir beschlossen einvernehmlich das Abenteuer zu wagen!
Am Ende des Tages erreichten wir den Upper Volta Glacier, nachdem wir seit dem Morgen den Therma Glacier und den Lower Volta Glacier überquert hatten. Wir stießen auf einen idealen Biwak-Platz: eine trockene Felshöhle, geschützt von einem großen Felsblock. Nach der Einrichtung des Biwak und einer anständigen gefriergetrockneten Fertigmahlzeit übermannte uns der Schlaf.
Biwak unter einem großen Felsblock am Rand des Upper Volta Glacier
In der weißen Hölle
Am nächsten Morgen war der Himmel klar. Uns war ein wunderschöner Sonnenaufgang über dem Mount Aspiring vergönnt. Leider verschlechterte sich das Wetter sehr schnell, ein neuer Schneesturm zog auf und schon gegen 10 Uhr suchten wir in der weißen Hölle nach dem Weg.
Aufstieg im Schneesturm bei dem Versuch Ruth Ridge zu erreichen.
Dennoch erreichten wir unser Ziel: den Gipfel der Ruth Ridge auf 2100m. Aber dann wurde uns sehr schnell klar, dass unsere Abfahrtsroute unmöglich zu bewerkstelligen war. Ein Felsvorsprung von mehreren zig Metern machte den Zugang zu dieser Stelle, die schon unter normalen Umständen schwierig abzufahren ist, unmöglich. Umkehr! Und zurück zum Biwak. In der Nacht fielen stellenweise bis zu 40 cm Neuschnee.
Im Biwak auf dem Upper Volta Glacier
Sein Glück versuchen!
Wir versuchten trotzdem hier herauszukommen, wohlwissend, dass der Ausstieg nur nach vorne möglich war. Die Abfahrt über die hintere Route stand nicht zur Debatte und erst recht nicht bei diesem frischen Schnee. Ein Plan B führte uns an den Rand des Upper Volta Glacier, nahe dem Übergang zum Purity Glacier etwa zehn Kilometer von unserem Biwak entfernt. Der Plan war, Beauty Ridge von Westen zu umgehen, um zum Pearson Saddle zu gelangen, dann ins Wilkin Valley abzufahren und nach einem langen Marsch das Dorf Makaroa und die Zivilisation zu erreichen. Aber leider befanden wir uns in einer Situation, wo wir nicht weiterkamen: zu steil, zu lawinengefährdet, vor allem bei diesem Neuschnee. Zum zweiten Mal mussten wir den Rückzug antreten und ins Biwak zurückkehren.
Beck gegen den Wind, auf dem Upper Volta Glacier mit dem Thermal Glacier im Hintergrund
Man soll es nicht zu weit treiben
Uns blieb nur noch eine Wahl für den Ausstieg, nämlich über den Rainbow und Montcrief Pass… Ein Anruf im Tal informierte uns über eine neue Schlechtwetterfront. Zu allem Überfluss gingen uns nun auch die Vorräte und das Gas aus. Nach reiflicher Überlegung entschlossen wir uns, einen Hubschrauber kommen zu lassen, um nicht mehrere Tage lang ohne Gas und Proviant unter diesem Felsblock blockiert zu bleiben.
Es war eine schwere Entscheidung, die unserem Traum von einem Trip ohne motorisierte Transportmittel ein jähes Ende setzte! Aber wir verzichteten darauf, es mit unserer Erkundung per Ski, bei der wir schon recht weit gekommen waren, zu weit zu treiben! Und wir sind heil nach Hause gekommen.
Die Motivation, zu neuen Abenteuern aufzubrechen ist nach wie vor ungebrochen! Manchmal muss man verzichten können, auch wenn die Bedingungen nicht extrem sind, um eine Überlebenssituation zu vermeiden! Die Überquerung und die Umrundung des Mount Aspiring mit Skiern bleibt weiterhin ein Projekt. Die Lösung scheint über den Montcrief Pass zu führen… wenn es jemanden interessiert!!!
Mount Aspiring / Tititea (3033m) und seine Nordostwand.
Bonus : Topokarten
Karte Nr. 1: Mount Aspiring Massiv in Neuseeland
Karte Nr. 2: vorgesehene Route für die Überquerung des Mount Aspiring Massivs
Karte Nr. 3: Zoom auf die vom Biwak aus unternommenen Versuche
Im Artikel erklärt
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