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Buildering bei Nacht

Seit jeher interessieren sich Kletterer für urbane Strukturen und Gebäude, an denen sie ihre vertikale Leidenschaft ausleben können. Vor dem Kletterhallenboom war „Urban Climbing“ oft die einzige Möglichkeit um vor Ort zu trainieren. Aber auch das (nicht immer ganz legale) Ziel, ungewöhnliche oder exponierte Bauwerke seiner Heimatstadt zu erklettern, erhöhte die Attraktivität des Builderings. Vor allem nachts eröffnen Städte ungeahnte Klettermöglichkeiten.

2 Februar 2016

Hallen- und Felsklettern

© Marc Daviet

In Deutschland wie in Frankreich steigt die Zahl der Kletterer, die ihre Heimatstadt aus ganz neuen Perspektiven entdecken möchten. In Lyon sind beispielsweise die Granitmauern des Rhonekai, in Toulouse die Backsteinmauern am Kai der Garonne beliebte Ziele der Builderer. Wir haben uns mit Loic Gaidioz und dem Fotografen Marc Daviet getroffen, die in Genf bei Tag und Nacht Ausflüge zum Klettern machen, und ihnen einige Fragen gestellt.

Loic, woher kommt deine Begeisterung fürs Buildering?

Wenn man das Klettern liebt, dann ist es fast natürlich, immer und überall klettern zu wollen. Nachdem ich auf Felsen, um einen Tisch, auf Bäume, auf einen Kran und noch viele weitere Gegenstände geklettert bin, ist das Klettern in der Stadt für mich die nächste Herausforderung. Städte mit einer Vielfalt an Architektur, wie etwa Genf, sind ein riesiger Spielplatz. Man findet die unterschiedlichsten Strukturen (Beton, Glas, Backstein, Eisen, Holz…) die man genauso bezwingen möchte, wie die verschieden Gesteinstypen (Kalk, Sandstein, Granit…). Und dann macht es einfach Spaß mit einem Crashpad auf dem Rücken durch die Stadt zu laufen, immer auf der Suche nach neuen kletterbaren Linien, sich mit den Passanten zu unterhalten und mit den Geräuschen der Stadt um einen herum zu klettern. All das trägt dazu bei, dass man sich bewusst ist, im Hier und Jetzt zu leben und die Magie des Augenblicks einzufangen.

Seit wann betreibst Du Buildering bzw. Urban Climbing?

Wir sind schon immer etwas in der Stadt rumgeklettert, aber die richtige Motivation kam dann vor fünf Jahren mit Morgan Boissenot, der ungemein fasziniert war vom Buildering. Ich kann Euch gar nicht sagen, wie viele Kilometer er in den letzten Jahren mit seinem Tretroller und Fahrrad zurückgelegt hat, um die heute bekannten Spots ausfindig zu machen. Aber er hat auf alle Fälle viel Zeit damit verbracht und ist der Erschließer von fast jedem Spot in Genf.

© Marc Daviet

Was sollte man beachten in Bezug auf Sicherheit aber auch um legal unterwegs zu sein? 

Man sollte schon etwas experimentierfreudig sein, wenn man diesem Hobby nachgeht. Man muss stets gut einzuschätzen, welche Struktur man verwenden kann, welche ausbricht. Für viele Menschen ist man schlicht ein Vandale, wenn man in der Stadt klettert. Deswegen sollte man immer verantwortungsvoll mit Gebäuden, Denkmälern und Strukturen umgehen. Für uns heißt das auch, dass wir uns nicht verstecken, sondern den Menschen erzählen, was wir da machen. Zudem putzen wir die Griffe nach dem Klettern wieder.

Bis jetzt hatten wir dadurch noch nie Probleme, selbst die Polizei bleibt manchmal stehen und schaut uns zu. Besonders aufpassen sollte man bei privaten Gebäuden – hier sollte man sich am besten vorher eine Erlaubnis einholen. Vergleicht man das Urban Climbing aber zum Beispiel mit dem Skaten, wo Gegenstände beschädigt und verkratzt werden, so hinterlassen wir vergleichsweise wenig Spuren.

Und schließlich ist es wichtig, eine coole Linie zu finden. Das ist gar nicht so einfach. Denn klettern kann man letztlich überall. Unser Ziel ist es daher nicht einfach irgendeine Stahlbrücke zu finden oder eine Schlossmauer, die schlicht aus aufeinandergestapelten Steinen besteht. Wir suchen echte Linien, die uns obligatorische Schwierigkeiten und bestimmte Klettertechniken abverlangen. Das ist für uns der eigentliche Spaß!

© Marc Daviet

Warum seid ihr nachts unterwegs?

Natürlich um Fotos von und mit den Petzl Stirnlampen zu machen! J Nee Quatsch, natürlich nicht nur deswegen. Wir klettern ja auch nicht nur bei Nacht, sondern sind auch tagsüber unterwegs.

Aber in der Nacht ist das Erlebnis noch spannender, ich will nicht sagen, dass wir uns verstecken, aber man nimmt seine Umgebung ganz anders wahr. Das „Gefühl der Tiefe“ verschwindet allmählich. Die Strukturen nehmen durch die Schatten und Lichter eine gigantische Dimension an. Darüber hinaus muss muss man seinen Kletterstil der Sicht anpassen und sich stets bewusst sein, wo das Crashpad ist, dass man im Falle eines Sturzes auch darauf landet. Alles erscheint einem plötzlich so groß, aber wie gesagt, es ist nur eine Illusion!

Und natürlich ist da auch die künstlerische Seite ein cooles Kletterfoto zu machen. Der Austausch mit einem Fotografen wie Marc, mit dem ich oft zusammenarbeite ist einfach toll. Ich kenne seinen Stil und er meinen und wir sind beide sehr penibel, was das Endergebnis angeht. Es gibt einfache Bilder, bei denen der Kletterer eine Pose einnimmt und fertig. Und dann gibt es die ausgefallenen Fotos, die kompliziert sind in der Umsetzung. Hier bietet uns das Klettern bei Nacht tolle Gestaltungsmöglichkeiten, da wir uns hier entfernen vom alltäglichen Kletterbild.

Marc, wie bist du auf die Idee gekommen Buildering Fotos zu machen?

Das war zu der Zeit, als ich viele Boulderbilder von Loic am Fels gemacht habe. Kurz darauf hat er mit seinen Freunden begonnen, die gesamte Stadt zu vermessen und nach Linien abzusuchen. Ich habe sie daraufhin begleitet, um Fotos zu schießen. Und die Urban Climbing Fotografie hat mir von Anfang an gefallen. Das war glaube ich meine Premiere, dass ich „Street Photography“ gemacht habe, aber ich habe nicht wie üblich Passanten fotografiert sondern Kletterer. Ich denke, wenn Henri Cartier-Bresson (berühmter französischer Fotograf) Loic vor seiner Kamera gehabt hätte, er hätte viel Spaß mit ihm gehabt…

© Marc Daviet

Was macht für dich ein gutes Buildering Foto aus?

Ich denke, dass es auf jeden Fall die Linie zeigen sollte, die geklettert wird. Schließlich ist es das, was die Kletterer motiviert. Die Linie muss signifikant, einzigartig und an einem außergewöhnlichen Ort sein. Die Skatboard Fotos von Fred Mortagne sind dafür das beste Beispiel. Die Architektur in der Stadt bietet unzählige Möglichkeiten für eine außergewöhnliche Bildgestaltung. Und schließlich trägt das Licht, wie immer bei der Fotografie, immens zur Stimmung bei. Es gibt dem Bild einen unvergleichlichen Look, mit Kontrasten, Reflexen, Gegenlicht usw. Das ist auch der Grund aus dem Loic und ich damit begonnen haben, Fotos bei Nacht zu machen. Die Dämmerung dämpft den Hintergrund und der Blitz hebt die Linie hervor. Und als perfekten Abschluss braucht man dann noch eine kraftvolle Kletterbewegung, die dem Bild die gewisse Dynamik verleiht. Das ist der Grund, warum ich so gerne bei Nacht fotografiere.

Aufnahmen bei Nacht sind aber wahrscheinlich auch mit Einschränkungen für den Fotografen verbunden?

Das stimmt. Nachtfotos sind von der Umsetzung nicht so einfach. Man muss sich die Umgebung vorher genau anschauen, und das am besten auch bei Nacht. Lichtbedingungen kann man tagsüber nicht gut einschätzen. Eine kleine Leuchtreklame im Hintergrund kann zum Beispiel schon alles stören. Anschließend muss man die Blitze positionieren, was oft eine große Herausforderung ist. Ich persönlich mag es zum Beispiel nicht, wenn sie zu dominant sind.

Und dann muss man noch auf die Ordnungshüter achtgeben. Sie verstehen nicht immer, was man mit den Blitzen mitten in der Nacht macht. Aber in der Regel geht das nach einigen Erklärungen gut aus. Wir achten immer darauf keine Strukturen bei unseren Aktionen zu beschädigen.

Hast du schon neue Projekte?

Ja klar, ich bin immer auf der Suche nach der Linie. Nach dem Motiv, das mich hinter der Kamera frösteln lässt. Wer weiß, vielleicht ja in New York.

© Marc Daviet

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