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Interview mit Philipp Reiter

Philipp Reiter ist eine unglaublich vielseitige Figur der Alpinsportszene: Nachdem er früher international erfolgreich bei Trailrunning- und Skimowettkämpfen war, ist er heutzutage vor allem für seine Fotos bekannt. Doch das ist noch längst nicht alles, was Philipp macht - im Interview mit Petzl spricht er über berufliche Projekte, persönliche Entwicklung und Ziele.

7 November 2023


 

Hey Philipp, wie verdienst du eigentlich dein Geld?

 

Ich bin Fotograf und im Sportmarketing tätig. Nebenbei bin ich viel als Athlet und Botschafter für verschiedene Marken unterwegs. Außerdem habe ich zusammen mit meinem Bruder unsere eigene Bekleidungsmarke, JUAdesign, gegründet. Hier produzieren wir Hosen im afrikanischen Look. Und noch dies und jenes...

 

 

Was macht dir beruflich momentan am meisten Spaß?

 

Grundsätzlich habe ich ja erstmal alles, was mir Spaß macht, mit meinen verschiedenen Jobs verknüpft, deswegen macht eigentlich alles Spaß! Wenn ich jetzt eine Sache herausheben müsste, ist tatsächlich das Begleiten von Projekten ein totales Highlight, also die Dokumentation im Reportagen-Stil. Man ist live mit dabei, läuft mit. Man muss also nicht nur super als Fotograf und Filmer sein, sondern auch genauso fit sein wie die Athleten selber. Dazu kommt noch der Stress, alles einfangen zu wollen. Man muss eigentlich bei allem, was passiert, dabei sein und möglichst nichts vergessen, weil am Ende alles interessant sein kann. Besonders spannend ist es, wenn die Story im Voraus noch nicht ganz klar ist. Wenn ich also ein Drehbuch habe, dann finde ich es eigentlich weniger interessant, weil ich dann genau weiß, was passiert oder was passieren darf und was nicht. Aber wenn das nicht definiert ist, dann ist es viel spannender.


 

Also im Prinzip das, was du mit der Adventure Bakery machst, oder? Die hast du auch selbst gegründet, richtig?

 

Richtig, die Adventure Bakery haben wir Anfang des Jahres gegründet. Im Prinzip sind wir eine Agentur, die Content für den Outdoor Bereich schafft. Im Team sind noch vier Katalanen und wir haben momentan viele Events, bei denen das Framing und das Storytelling relativ klar vorgegeben ist. 

 

Wir wollen uns in Zukunft eigentlich mehr Projekte überlegen, bei denen wir Athleten mit Marken zusammenbringen und das dann dokumentieren, um damit Geschichten zu erzählen. Also quasi wie der Märchenerzähler von damals, der von Dorf zu Dorf mit seinem Karren gezogen ist und dann die Geschichten erzählt hat.

 

Ich bin selber jahrelang Rennen in verschiedenen Disziplinen gelaufen, das ist schon cool und macht auch Spaß. Man trainiert so, dass man am Tag X seine maximale Performance abrufen kann. Aber irgendwann ist es auch immer das Gleiche, da habe ich begonnen mich zu fragen: Was kann man sonst machen? Was kann man sonst noch erzählen und wie kann man dem Sport noch einen anderen Sinn geben? Gerade im Einzelsport ist doch die Frage, für wen oder für was macht man das? Wenn man dem Ganzen zusätzlich zur sportlichen Leistung noch eine andere Bedeutung geben kann mit einer anderen Message, finde ich das eine tolle Verknüpfung. Ein Beispiel ist der Alp-Front-Trail, bei dem wir den Frontverlauf des Ersten Weltkriegs in einer Art Staffellauf abgelaufen sind, in einem internationalen Team von mehr als zehn Leuten. Ich finde das eine tolle Botschaft, wenn der Österreicher jetzt mit dem Italiener zusammen läuft, zusammen isst, zusammen in einem Camper schläft - vor 100 Jahren haben sie sich die Köpfe eingeschlagen. Und natürlich war es auch eine Herausforderung: Wir sind 100 Kilometer am Tag gelaufen und was weiß ich wie viele tausende Höhenmeter. Es ist eine beachtliche sportliche Leistung, aber es hat eben noch mehr Bedeutung als einfach nur Fahnen hinterher zu laufen.



 

Wo möchtest du dich gerne hinentwickeln?

 

Ein großes langfristiges Entwicklungsziel habe ich eigentlich nicht, Vieles lässt sich ja auch gar nicht planen und ergibt sich “unterwegs”. Ursprünglich hatte ich ganz andere Lebenspläne. Es hat sich alles so entwickelt, durch meine Verletzung bin ich zur Fotografie gekommen und bin damit sehr glücklich. Man muss bis zu einem gewissen Grade einfach offen für unvermeidbare Veränderungen sein, oft entwickeln sich Dinge viel positiver, als man anfangs dachte.

 

Für mich ist es immer wichtig, dass ich für mich persönlich eine gewisse Evolution in meinem Tun und in meinem Leben sehe. Also ich möchte nicht das Gefühl von Stillstand oder Rückschritt haben. Das hat jetzt nichts mit sportlicher Leistung zu tun, auch eine Verletzung oder eine berufliche Pause aus verschiedenen Gründen muss kein Rückschlag sein, dann gibt es vielleicht eine Evolution in einem anderen Bereich. Es muss also keine sportliche Evolution sein, das ist für mich wichtig, sondern grundsätzlich das Gefühl haben, ich komme voran. In welcher Hinsicht auch immer.


 

Was motiviert dich?

 

Früher war es wirklich Leistung. Ich habe geschaut, wie weit ich meinen Körper trimmen, pushen, vorbereiten und trainieren kann, damit er gewisse Leistungen bringt, wie besser als andere zu sein oder einen Rekord aufzustellen. Jetzt ist es ein bisschen anders. Bei deinem eigenen Projekt sagt dir keiner genau, was du machen musst, deine Motivation für gute Arbeit muss intrinsisch sein. Du möchtest ein cooles Video, Foto o.ä. abliefern und involvierst andere Leute, für die das auch interessant sein soll. Du möchtest aus rohem Material wie Bild-Content eine Story kreieren, die dann eine stimmige Take-At-Home Message für andere Menschen ergibt und die Geschichte erlebbar macht. Das motiviert mich - Projekte möglichst genauso für andere visuell aufzubereiten, wie ich sie bereits im Kopf habe.



 

Was sind die Kalendereinträge in einer typischen Philipp-Reiter-Woche?

 

Es sind auf jeden Fall viele, aber es gibt wenig Wiederholungen. Ich bin relativ wenig daheim, aber wenn ich daheim bin, treffe ich gerne meine Spezl. Meistens kombinieren wir das mit Sport, wir gehen gemeinsam Radfahren, Quatschen oder eine Runde Laufen. Oder wir gehen in die Boulderhalle und essen nachher noch eine Pizza. Ansonsten bin ich, wenn ich daheim bin, wahrscheinlich drei Nachmittage bei meiner Lieblingsbäckerei anzutreffen und gehe meistens noch ein oder zweimal ins Fitnessstudio. Nicht um Muskeln aufzutrainieren. Das funktioniert bei mir nicht so gut. Stattdessen mache ich das, wozu ich mich zuhause nicht motivieren kann, und unterwegs noch viel weniger: Stretching, Gymnastik und Körperübungen, die wichtig sind damit ich das Ganze noch ein bisschen länger machen kann.


 

Jetzt, wo du aus der Trail- und Wettkampfszene als selbst aktiver Teilnehmer raus bist, gibt es für dich sportliche Bereiche, in denen du dich besonders weiterentwickeln möchtest und persönliche Ziele hast?

 

Das Klettern macht mir ziemlich viel Spaß, ebenso wie das Alpinklettern. Da ist aber immer die Frage: wie viel? Ich klettere auch schon echt gerne Routen, die man selbst absichern muss, aber je intensiver man das betreibt, desto höher ist das Risiko. Das muss einem klar sein. Auch das Paragliden macht mir ziemlich viel Spaß, aber auch hier steigt das Risiko, je mehr man pusht und die Sache in eine gewisse Richtung vorantreibt. 

 

Ich habe meistens einzelne Projekte, die ich umsetzen möchte. Wir sind dieses Jahr zum Beispiel durch die Pyrenäen geradelt, quasi von Ocean to Ocean. Das war super cool mit dem Radl. Das war jetzt sicher keine sportliche Höchstleistung, aber flott war es schon und hat vor allem mega Spaß gemacht. Projekte in dieser Art möchte ich in Zukunft noch mehr umsetzen.

 

Ich bin jetzt schon viele Jahre dabei und habe einige Freunde, die verletzt sind oder die es gar nicht mehr gibt, die ihre Disziplinen sehr intensiv betrieben haben. Das verändert schon die Wahrnehmung. Ich frage mich jetzt öfter: Möchte ich das jetzt wirklich auf die Spitze treiben mit den Konsequenzen, die ich schon gesehen habe und die ich kenne? Die Frage beantworte ich jetzt mehr und mehr mit nein. 

 

Und mit wachsendem Alter hat man meistens auch mehr Verantwortung für die Menschen um sich herum, nicht nur für sich selbst. Sei es die Freundin oder die Familie. Wenn du verletzt bist und deine Angehörigen dich pflegen müssen, bist nicht nur du der Leidtragende.


 

Was hast du immer in deinem Rucksack?

 

Bei mir ist es die Kamera. Und ich habe meistens Sonnencreme dabei, weil ich mich schon ein paar Mal richtig übel verbrannt habe. Also Kamera, Lippenstift, Sonnencreme.


 

Kein Essen? Riegel?

 

Ich kaufe mir meistens das Essen beim Bäcker. Ich habe ein Faible für Bäckereien! Auch in anderen Ländern schaue ich sehr gerne, was es da so gibt. Meistens ist es eher enttäuschend im Vergleich zu daheim, aber Spaß macht es trotzdem. Und ein kleines Schweizer Taschenmesser ist immer dabei.

 

Im Herbst packe ich auch immer die BINDI-Stirnlampe ein. Das ist ein mega Produkt, stört überhaupt nicht und ist neben meinem Schlüssel noch hinten in der Hosentasche drinnen. Und dann kann ich sicher sein, für eine Stunde oder ein bisschen länger habe ich ein echt richtig gutes Licht.

 

Vielen Dank für deine Antworten, Philipp! Wir wünschen dir für die Zukunft alles Gute!

 

© Bilder: Petzl / Philipp Reiter @the.adventure.bakery

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