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Von Kuchenrezepten, Wassereimern und Sandsteinrissen

Das „Trainer Kollektiv“ hat den deutschen Vorentscheid des Petzl Ropetrip gewonnen und wird als offizielles deutsches Team bei der Endrunde Anfang April in Salt Lake City antreten. Wir haben Birte, Nils und Sven gefragt, was der Wettkampf, die Arbeit Industrieklettern und das Hobby Sportklettern für sie bedeutet – und wie sie sich auf den Ropetrip vorbereiten.

17 März 2016

Zugang mit Seil und Beengte Räume

Herzlichen Glückwunsch zum Sieg bei der deutschen Vorrunde des Petzl Ropetrip! Ist bei Euch nun der sportliche Ehrgeiz geweckt, auch im Finale gut abzuschneiden?

Birte: Klar wollen wir in Salt Lake City gut abschneiden, aber verbissen gehen wir deshalb nicht an die Sache ran. Wir wollen in erster Linie Freude haben bei dem was wir tun.

Sven: Das Niveau ist international noch einmal eine ganz andere Hausnummer als bei den nationalen Vorentscheiden. 2012 in Crolles haben wir echt die Ohren angelegt. Damals bin ich mit zwei Freunden und Kollegen vollkommen unvorbereitet hingefahren und der Erfolg war mäßig. Aber wir hatten eine großartige Zeit - für mich das beste Wochenende des Jahres. Salt Lake City wird mit Sicherheit anders aber die gute Zeit sollte im Vordergrund stehen.

Wir haben gehört, dass ihr Euch durchaus gezielt auf die Endrunde in Salt Lake City vorbereitet. Was trainiert ihr genau?

Nils: Wir trainieren Ausdauer und Konzentration für die Einzeldisziplinen. Das heißt: es werden Seilmeter gemacht, um dann immer noch effizient Systemwechsel durchzuführen. Ach, und der allseits beliebte Wassereimer hängt dabei auch gerne am Gurt. Weiterhin trainieren wir spezielle Rettungsszenarien und das dreidimensionale Riggen von Lasten.

Sven: Es ist schwer, sich gezielt vorzubereiten, da wir nicht wissen, was uns an Aufgaben wirklich erwartet. Wir haben uns die vergangenen Veranstaltungen angesehen und versucht Rückschlüsse auf mögliche Aufgabenstellungen zu ziehen. Das reizvolle an dem Wettkampfformat ist, dass Du die Einzeldisziplinen im Team nach Stärken und Schwächen der einzelnen Mitglieder verteilen musst.

Verratet den anderen Teams: Wo liegen Eure Schwächen?

Birte: Kuchenrezepte. Wenn wir nicht aufpassen, verraten wir in den Mittagspausen unseren Gegnern noch alle leckeren Details für die besten Käsekuchenrezepte.

Soweit wir das wissen, geht ihr alle privat auch mehr oder weniger ambitioniert klettern. Ist die Arbeit als Industriekletterer für Euch mehr als ein Beruf? Und wenn ja, warum?

Birte: Nein die Arbeit als Industrieklettererin nicht, aber die Seiltechnik dahinter. Dieses breite Feld an Möglichkeiten, sich praktisch und theoretisch immer wieder neu herauszufordern. Sein Gegenüber zum Nachdenken und Mitmachen anzuregen, macht mich glücklich.

Sven: Birte, genau diese Einstellung macht es zu mehr als einem Job. Wäre die Seilzugangstechnik nur ein Weg den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, würden wir uns über Herausforderungen, Wettkämpfe und die Möglichkeiten, die die Seiltechnik mit sich bringt, keine Gedanken machen.

Was bedeutet das Sportklettern für Euch?

Nils: Mich selbst immer wieder herauszufordern und dabei die Ruhe und Gelassenheit der Natur zu spüren. Aber auch immer gerne einfach nur den Frieden der Natur zu genießen und dem Spaß an der Bewegung zu frönen.

Birte: Sportklettern bedeutete für mich Ruhe, Freiheit und Genuss. Und ich muss gestehen, dass das Sportklettern, und da vor allem das Klettern draußen am Fels, für mich meine persönliche Herausforderung ist, meine Ängste zu besiegen.

Sven: Sportklettern war ein bedeutender Abschnitt in meinem Leben - leider haben sich mit der Verantwortung für die eigene Familie, und bei meinem langjährigen Kletterpartner auch durch die Verantwortung für die eigene Firma, die Prioritäten verschoben. Ich baue jetzt darauf, dass mein Sohn irgendwann mit Papa klettern gehen will.

Würdet ihr sagen, dass Eure sportliche Herangehensweise an das ganze Thema Klettern auch ein Grund für Euren Sieg beim deutschen Vorentscheid war?

Birte: Ich glaube, dass wir unseren Sieg unserer Teamleistung zu verdanken haben. Des Weiteren bin ich davon überzeugt, dass wir alle immer auf der Suche nach effizienten Möglichkeiten sind Aufgabenstellungen zu lösen, sei es beim Ausbilden im Bereich Seilzugangstechnik, beim Sportklettern oder auch am Schreibtisch.

Wer von Euch bleibt nach dem Wettkampf noch in den USA?

Nils: Birte und ich.

Was sind Eure Pläne?

Nils: Selbstverständlich einige Klettergebiete in Utah kennenlernen, da gibt es ja einiges zu erkunden. Vor allem auf die Sandsteinrisse bin ich gespannt.

Birte: Ich habe vor den Rissen etwas Angst, aber das kann ja noch werden ;-)

Nils: Eine Runde Snowboarden und Gleitschirmfliegen sind auch in Planung… mal sehen was einem vor Ort noch so über den Weg läuft.

Birte: Erholen von dem Wettkampf und dem Arbeitsalltag

Was erhofft ihr Euch vom Ropetrip in Salt Lake City?

Birte: In erster Linie Spaß. Ich freue mich darauf noch mehr so seilverrückte Menschen zu treffen wie meine beiden Teamkollegen. Darüber hinaus sind solch internationale Veranstaltungen eine hervorragende Gelegenheit in einen Austausch mit anderen zu kommen. Unterschiedliche Techniken zu sehen und ggf. mit anderen darüber zu diskutieren und sie selbst auszuprobieren. 

Was steht für Euch im Vordergrund: Wettkampf, Symposium?

Nils: Da lassen wir uns überraschen ;-)

Sven: Wenn man ganz ehrlich ist, steht natürlich der Wettkampf im Vordergrund. Ich freue mich aber auch sehr auf die anderen Veranstaltungen.

Wie kam es eigentlich zur Gründung des Trainer Kollektiv Rope & Rescue?

Nils: Zwei Seiltechnikverrückte trafen aufeinander und beschlossen, dass da mehr geht als in den meisten Schulungen allgemein gelehrt wird. In Bezug auf Didaktik, Präsentationstechniken und Inhalt.

Was ist die Zielsetzung des Trainer Kollektivs, was Eure Spezialgebiete?

Nils: Unser Spezialgebiet ist die Ausbildung von Seilzugangstechnik jeglicher Art. Angefangen bei der Anwendung von persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz bis hin zur Seilzugangs- und Positionierungstechnik laut FISAT Standards und darüber hinaus.

Vielen Dank für das Interview!

 

Portrait Birte

Alter: 31

Wohnort: Hamburg

Beruf/e: Meisterin für Veranstaltungstechnik

Ausbildung/Qualifikation als SZT: FISAT L3, IRATA L1, SRHT Teamleiterin

In der Branche seit: 2007

Wie bist du zu deinem jetzigen Job und zum Trainer Kollektiv gekommen?

Die erste Begegnung mit dem Klettern habe ich 2004/2005 während meiner Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik gemacht. Damals haben meine Kollegen und ich angefangen, als Ausgleich zu unserem sehr einseitigen Arbeitsalltag, Sportklettern zu betreiben. Das wiederum hat mir den Zugang in der Veranstaltungsbranche zum Riggen und Klettern eröffnet. Um fundiertes Wissen zu erlangen und um während meines Sportstudiums Geld verdienen zu können, habe ich 2007 die Qualifizierung zur Seilzugangstechnikerin absolviert.

Nach einiger Zeit im operativen Bereich der SZP (Seilzugangs- und Positionierungstechniken) habe ich durch einen Kollegen die Möglichkeit erhalten, mein Wissen und meine Erfahrungen an zukünftige Industriekletterer weiter zu geben.

Die Tätigkeit der Wissensvermittlung ist etwas, was eine Leidenschaft in mir weckt. Und aus meiner Sicht darauf beruht, dass man sich als Wissensvermittler ständig mit allen Sinnen weiterentwickeln muss.

Mein Streben ist es, anderen die bestmögliche Ausbildung zu ermöglichen. Ich glaube, dass man dies nur erreichen kann, wenn man sich selbst ständig hinterfragt und herausfordert. Dies gelingt einem am besten mit anderen Menschen im Austausch auf Augenhöhe. Des Weiteren bin ich daran interessiert anderen Wissen zu vermitteln, das über das Bestehen einer Prüfung oder einer Normvorgabe hinausgeht. 

Über das FISAT Technikseminar habe ich 2014 Nils Henneken kennengelernt und schnell war klar, dass auch bei ihm dieses gewisse Feuer brennt. Und aus einer fixen Idee wurde 2015 ernst und das heutige Trainer Kollektiv gegründet.

Hast Du vor dem Industrieklettern etwas ganz anderes gemacht?

Jein... in der Veranstaltungstechnik habe ich mich auch schon mit Seiltechnik und Arbeiten mit Absturzgefahr beschäftigt. Mittlerweile fokussiere ich mich aber immer mehr auf den Bereich Arbeitssicherheit und Ausbildung/Qualifizierungen.

Was gefällt Dir besonders an deinem Job?

Dass mich mein Job jeden Tag aufs Neue wieder herausfordert. Es fühlt sich so an wie das Durchklettern einer neuen Route. Ich beherrsche mein Wissen und meine Technik, aber es sind jedes Mal andere Menschen auf die ich treffe und diese fordern von mir vollen Fokus auf die neue Aufgabe.

Was willst du mal werden wenn du groß bist?

Die Weltherrschaft an mich reißen sowie jeden Abend Pinky ;-)

 

Portrait Nils

Alter: 38

Wohnort: Berlin

Beruf/e: Industriemechaniker

Qualifikation als SZT: FISAT Zertifizierer, FISAT L3, IRATA L1, SRHT Teamleiter, Trainer B Sportklettern

In der Branche seit: 2004

Wie bist du zu deinem jetzigen Job und zum Trainerkollektiv gekommen?

Während meines Studiums in Berlin habe ich nach einer Möglichkeit gesucht um Geld zu verdienen und kam über Freunde auf die Idee eine Ausbildung zum Industriekletterer zu machen. Da die Seilzugangstechnik sehr gut zu meinem Hobby Sportklettern passte, wurde aus dem Nebenjob bald mein Beruf.

In den letzten Jahren habe ich mich immer stärker auf die Ausbildung der SZP und allem was damit zusammenhängt fokussiert. Nach einigen Jahren des Ausbildens und als Geschäftsführer eines Ausbildungsunternehmens suchte ich nach Kollegen/Kolleginnen, die auch der Meinung sind, dass bei der Ausbildung in diesem Bereich ein Schritt nach vorne gemacht werden muss. 2014 traf ich Birte Kahlbrock auf dem FISAT Technikseminar und ich stellte fest, dass ihr das auch am Herzen liegt. Damit war das Trainer Kollektiv geboren.

Hast Du vorher etwas ganz anderes gemacht?

So einiges. Nach meiner Ausbildung zum Industriemechaniker holte ich mein Abitur nach. Nach der Zivildienstzeit als Betreuer eines Schwerstbehinderten startete ich mein Studium für Energie- und Verfahrenstechnik, welches ich dann allerdings zugunsten des Industriekletterns aufgab.

Was gefällt Dir besonders an deinem Job?

Im operativen Geschäft gefällt mir besonders die seiltechnische Kreativität, die des Öfteren von einem verlangt wird, um ein effizientes und sicheres Arbeiten zu ermöglichen.

Bei der Ausbildung finde ich die Herausforderung, die unterschiedliche Menschen einem stellen, spannend und inspirierend. Selten funktioniert Schema F und man sollte sich immer auf den Einzelnen einlassen, um ihm individuell den Inhalt und die Logik des Systems zu vermitteln.

 

Portrait Sven

Alter: 42

Wohnort: Berlin

Beruf/e: Hotelkaufmann, Fachkraft für Arbeitssicherheit

Ausbildung/Qualifikation als SZT: FISAT L3, FISAT Zertifizierer

In der Branche seit: 1998

Wie bist du zu deinem jetzigen Job und zum Trainer Kollektiv gekommen?

Genau genommen bin ich nur “Ehrentrainer”, arbeite also nicht für das Trainer Kollektiv. Da ich meine Selbstständigkeit vor drei Jahren aufgegeben habe, war es bei der Namensfindung für das Team logisch und naheliegend, dass wir uns für den Firmennamen von Birte und Nils entschieden haben. Das FISAT Technikseminar 2014 war nicht nur die Geburtsstunde des Trainer Kollektivs, sondern auch die Veranstaltung, bei der ich Birte mehr oder weniger überreden musste, im Wettkampf zu starten. Bis zu dem Zeitpunkt kannte ich sie eigentlich kaum, während ich Nils aus unserer Tätigkeit im FISAT Zertifiziererteam seit ungefähr sechs Jahren kenne.

Hast Du vor dem Industrieklettern etwas ganz anderes gemacht?

Ich bin nach einigen Jahren im Hotel fünf Jahre zur See gefahren und habe in meiner Zeit an Land zwischen den einzelnen Fahrenszeiten am Seil gearbeitet. Wie Nils bin auch ich über das Sportklettern zur Seilzugangstechnik gekommen. In den Neunzigern war das ja noch eine absolute Grauzone.

Was gefällt Dir besonders an deinem Job?

Seit drei Jahren arbeite ich hauptamtlich für den FISAT, leite dort die Geschäftsstelle und verbringe den größten Teil meiner Arbeitszeit am Schreibtisch. Umso schöner ist es zu sehen, dass ich mich noch am Seil bewegen kann. Seit drei Jahren lerne ich täglich etwas dazu – ich denke das ist die beste Motivation, die man in seinem Job haben kann.

Was willst du mal werden wenn du groß bist?

Ganz ehrlich? Ich kann mir momentan nichts Besseres vorstellen.

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