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Hagshu 2014: Neue Route durch die Nordwand

Bei einer Himalaya Expedition ist das Erreichen des gewünschten Gipfels nicht die einzige Herausforderung. Die Durchquerung des Bürokratie Sumpfes, um überhaupt ins Basislager zu kommen, ist fast genau so schwierig. Im Oktober 2014 eröffneten Luka Lindic, Marko Prezelj und Aleš Česen eine neue Route durch die Nordwand des Hagshu (6657m). Wie es das Schicksal so will war der Gipfel nicht ihre erste, zweite oder sogar dritte Wahl…sondern die Vierte, nachdem der Genehmigungskampf sie sprachlos machte. Luka berichtet uns über seine Erfahrungen und Beschwerlichkeiten mit den indischen Behörden, über ihre Abenteuer im indischen Kishtwar Himalaya und über die drei neuen Routen, die sie eröffnet haben.

17 November 2014

Bergsteigen

Luka Lindic - Hagshu 2014
Der Gipfelgrat des Hagshu.

 

Größte Hürde: Das Permit

Im Jahr 2009 bin ich das erste Mal nach Indien zum Klettern gefahren, begleitet von Marko Prezelj und Rok Blagus. Wir kletterten drei neue Routen an drei der vier Bhagirathi Gipfel. Über die letzten fünf Jahre hab ich fast vergessen, wie stressreich es kurz vor dem Start unserer damaligen Reise war. Nachdem uns zwei Wochen vor Abflug mitgeteilt wurde, dass unser Antrag Rimo III zu klettern abgelehnt wurde, machte nur unser großer Wunsch zu klettern die Reise nach Bhagirathi wahr. Dieses Jahr waren Marko Prezelj, Aleš Česen und ich motiviert genug, es noch einmal zu probieren. Nach einem fehlgeschlagenen Versuch eine Erlaubnis für den Phola Gangchen in Tibet zu erhalten, wo wir letztes Jahr vor starken Schneestürmen geflüchtet sind, legten wir unseren Fokus auf den Rimo III in Indien. Letztes Jahr versuchte eine britische Expedition den Gipfel zu erreichen. Wir und unsere Agentur, Rimo Expeditions, waren zuversichtlich eine Erlaubnis  der IMF (Indian Mountaineering Foundation) zu erhalten. Im Mai bekommen wir jedoch die Information, dass der Antrag der britischen Expedition, die einen erneuten Versuch wagen wollte, abgelehnt wurde und es  uns es wahrscheinlich genauso ergehen würde. Wir waren sehr überrascht, da es keine logische Begründung für diese Abweisung gab.  Da wir viel zu motiviert waren um die ganze Expedition abzusagen, setzten wir alles auf eine Karte und beantragten eine Genehmigung für den Mukut Parbat. Nachdem wir unsere Flüge gebucht hatten, konnten wir mit den normalen Vorbereitungen und der Organisation so einer Reise beginnen. Nur ein paar Wochen vor unserem Abflug bekamen wir jedoch erneut schleche Nachrichten. „Ihr solltet etwas anderes versuchen“, war die eindeutige Botschaft des IMF. Verwirrt und verunsichert, was wir als nächstes tun sollten, war es schwer vorstellbar, dass die ganze Energie, die wir bereits in das Projekt investiert hatten, umsonst war. Unsere Agentur schlug uns schließlich den Hagshu von der Liste der offenen Gipfel in Zanskar vor.

 

Lagan Peak und Hana’s Men: Zwei neue Routen zum Akklimatisieren

Luka Lindic - Hagshu 2014
Auf dem felsigen Gipfel des Lagan.

Mit wenigen Informationen in der Hand und noch weniger Druck, machten wir uns auf den Weg nach Zanskar. Nur kurz vor unserem Aufbruch war uns zu Ohren gekommen, dass Mick Fowler und Paul Ramsden ebenfalls einen Versuch in der Nordwand des Hagshu planten. Das störte uns allerdings nicht weiter, wo wir jetzt endlich auf dem Weg zu unserer vierten Wahl waren, nach all unserem Pech mit den Permits. Schnell organisierten wir die nötige Logistik und Vorräte in Dehli und Leh und begaben uns dann auf die zweistündige Fahrt nach Akshow Stadt. Nach weiteren zwei Tagen zu Fuß erreichten wir das Basislager. Der Anblick des Hagshu war einfach unglaublich; er ist ein wahnsinnig ästhetischer Berg.

Die nächsten Tage verbrachten wir damit, den Weg zum Einstieg der Wand zu erkunden und begannen mit der ersten Akklimatisierung. Um uns an die Höhe zu gewöhnen, machten wir zunächst die Erstbegehung des schmalen Grats zum 5750m hohen Gipfel des „Lagan“ (der Name wurde von den Einheimischen vergeben). Der Drei-Tage-Trip vom Basislager verlangte uns mehr ab, als wir erwartet hatten. Der messerscharfe Grat beinhaltete einige brenzlige Seillängen und die ganze Route war länger als erwartet. Als wir zurück im Basislager waren, wussten wir was als nächstes auf unserer Kletter-Agenda stand.

Nach zwei Tagen Erholung führten wir unsere Akklimatisierung fort. Wir schlugen unser Advanced Basecamp auf dem Gletscher unterhalb des Hagshu auf und starteten zur Westwand des Hana’s Men (6300m). In drei Stunden hatten wir den Gletscher überquert und waren am Einstieg der Wand angelangt. Im ersten Teil kletterten wir eine Schneerinne, in der uns guter Schnee ermöglichte schnell voran zu kommen. Wir folgten einer logischen Linie schneebedeckter Rampen und über nur wenige Felsstufen erreichten wir einen felsigen Teil, der uns zum Gipfelgrat führte. Der Felsriegel bestand aus schöner Kletterei in gutem Fels. Unser Biwak platzierten wir auf dem Grat in 6200m mit einer traumhaften Aussicht auf den nahen Hagshu. Am nächsten Tag kletterten wir zum Nordgipfel und stiegen dann über die Nordostwand ab. Am selben Nachmittag noch erreichten wir das Basislager. Nun, nachdem wir uns perfekt akklimatisiert hatten, brauchten wir nur noch ein paar Tage Erholung im Basislager bevor wir den Hagshu anriffen. Drei Tage später machten wir uns erneut auf den Weg zum Advanced Basecamp.

Luka Lindic - Hagshu 2014
Luka Lindic - Hagshu 2014
Luka Lindic in der Westwand von Hana's Men.

 

Die Nordwand des Hagshu: tolle Kletterei, tolles Wetter

Wir bereiteten uns auf eine leichte und schnelle Begehung der Hagshu Nordwand im Alpinstil vor. Wir packten ein Zwei-Mann-Zelt, zwei Schlafsäcke, einen Kocher und Essen für zwei Nächte ein. Um drei Uhr in der Früh verließen wir das Advanced Basecamp und nach drei Stunden Zustieg konnten wir bereits in den steilen Schneehang am Fuße der Wand einsteigen. Der tiefe Schnee bremste uns am Anfang etwas aus, aber als wir an Höhe gewannen, verbesserten sich die Bedingungen deutlich und wir konnten schnell und seilfrei den gesamten Weg bis zur steilsten Stelle der Route klettern.

Luka Lindic - Hagshu 2014
Am Einstieg der Nordwand des Hagshu.

Nun folgten einige steile Längen im Eis. Das Eis war poliert von der Spindrift und spröde wie Glas. Diese Bedingungen setzten sich im oberen Teil der Route fort, wo wir eigentlich dachten, dass wir schnell vorankommen könnten. In diesem steilen, eisigen Terrain machten wir einige erfolglose Versuche, einen Platz für das Biwak zu finden. Um 02:00 Uhr in der Früh, nach 23 Stunden auf den Beinen und in der Wand, erreichten wir endlich einen schmalen Grat in 6320m Höhe wo wir unser Zelt aufstellten und sofort einschliefen. Nachdem wir bis mittags geschlafen hatten, um unsere Batterien wieder aufzuladen, half uns die warme Nachmittagssonne wieder aufzubrechen.

Luka Lindic - Hagshu 2014
Aleš Česen in der Nordwand des Hagshu.

Luka Lindic - Hagshu 2014
Unser 4-Sterne-Biwak auf 6320m.

 

 

Gipfelgrat rauf, Gipfelgrat runter

Wir fanden einen guten Weg durch den letzten felsigen Teil und standen bald auf dem Nordgipfel des Hagshu. Von dort folgten wir einer langen Gratlinie unberührter Schneefelder zum Hauptgipfel, den wir um 05:00 Uhr am Nachmittag erreichten. Da das gute Wetter anhalten sollte und in knapp einer Stunde die Sonne untergehen würde, beschlossen wir zehn Meter unterhalb des Gipfels die Nacht zu verbringen. Der nächste Morgen beschenkte uns mit einem kristallklaren Himmel und wir machten uns auf den Abstieg über die Polenroute, die sich auf der anderen Seite des Berges befindet. Diese großartige Route, die 1989 erstbegangen wurde, hat einige steile Felstürme mit luftigen Abseilstellen. Wir brauchten letztlich den gesamten Tag um ins Advanced Basecamp zurückzukehren.

Luka Lindic - Hagshu 2014
Auf den letzten Metern zum Gipfel

Luka Lindic - Hagshu 2014
Die Polenroute im Abstieg.

 

Kaum zurück im Basislager trafen wir auf das englische Team. Mick und Paul kletterten eine neue Route in der Nordost Wand des Hagshu, nur wenige Tage nach unserer Erstbegehung, und folgten dann unseren Spuren auf den Gipfel und auf der anderen Seite wieder hinunter. Was für ein lustiger Zufall, dass zwei Teams die gleiche Wand innerhalb weniger Tage klettern, nachdem seit der letzten Begehung Jahre vergangen sind. Aber wie immer bietet der Berg genügend Platz für jeden.

Unsere drei Erstbegehungen während der Expedition:

Die Gipfelhöhen haben wir mit unserem GPS gemessen

  • 17.09.2014 „Lazan“ (5750m), Ostgrat, TD-, max M5, 700m (2000m lang), 8 Stunden, Erstbegehung
  • 24.09.2014 Hana’s men (6300m), Westwand, TD, max IV, 1100m, 6 Stunden+4 Stunden, Erstbegehung
  • 30.09.2014 Hagshu (6657m), Nordwand, ED, 70°-90° III, 1350m, 20 Stunden+4,5 Stunden, Erstbegehung

Luka Lindic - Hagshu 2014
Routenverlauf durch die Nordwand des Hagshu

 

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