Island: Klettern im Land der Kontraste
Im Juni 2016 sind sieben passionierte Kletterer, unter ihnen Florence Pinet und Gérôme Pouvreau, nach Island gereist, der Insel aus Feuer und Eis. Obwohl dieses Land der tausend Farben nicht unbedingt für seine Klettermöglichkeiten berühmt ist, fand die Gruppe dort atemberaubende Spots. Raphaël Fourau berichtet über die Expedition.
1 März 2017
Bouldern
Das Team:
- Florence Pinet und Gérôme Pouvreau, Team Petzl,
- Raphaël Fourau und Thomas Vialletet, Fotografen
- Adrien Boulon… Kletterer, aber auch Koordinator, Bergführer, Koch, Pilot uvm.
- Und schließlich Danielle Vialletet und Mathieu Menoud
Reykjavik und Umgebung: ”Wasserfälle, Geysire und Kneipen”
Island ist ein bekanntes Spielfeld für Trekker, Surfer, Fotografen und andere Naturliebhaber. Aber es gibt nur wenige Kletterer, die das Abenteuer wagen. Ist der Grund dafür das launische Wetter oder der Mangel an interessanten Klettergebieten? Um dies herauszufinden, sind wir nach Island gereist.…
Unsere Ankunft in Island begann etwas holprig. Wir waren um 22.45 Uhr in Paris gestartet und erblickten drei Stunden später die in ein unwirkliches Licht getauchte isländische Küste. Die Nacht war verschwunden und wir sollten sie erst nach unserer Rückkehr wiederfinden. Kaum hatten wir jedoch einen Fuß auf den Boden gesetzt, erfuhren wir, dass zwei Drittel unseres Gepäcks in einem für Billigflüge typischen Raum-Zeit-Loch verloren gegangen waren.
Von 66° Nord in ihrem Büro in Reykjavik untergebracht, verbrachten wir die folgenden Tage mit Fahrten zum Flughafen und der Erkundung von Reykjavik und Umgebung: Wasserfälle, Geysire und…Kneipen.
Der eindrucksvolle Gulfoss-Wasserfall scheint dich in das Innere der Insel ziehen zu wollen.
Lupinen… ebenso allgegenwärtig wie Schafe in Island. Thomas Vialletet, der zur großen Verzweiflung der restlichen Mitglieder unserer Gruppe eine echte Bewunderung für diese Blumen entwickelte, hat sie vor jeder erdenklichen Kulisse fotografiert.
Jökulsárlón, das gibt es nur in Island zu sehen! Vom Gletscher abgebrochene Eisschollen treiben direkt ins Meer..
Richtung Hnappavellir: Der Klettertrip beginnt (endlich)
Wir stehen kurz vor einer nordischen Depression, als wir beschließen uns auf den Weg zu machen, egal ob mit oder ohne Gepäck! Die touristischen Stopps lassen wir links liegen, um uns ganz aufs Klettern zu konzentrieren, und fahren in Richtung Hnappavellir, dem bedeutendsten Klettergebiet Islands.
Während der dreistündigen Fahrt drücken wir, überwältigt von der Schönheit der Landschaft, unsere Nasen an den Fenstern des Geländewagens platt, bis wir schließlich in Hnappavellir ankommen. Das im Süden der Insel, am Rand des Skaftafell Nationalparks befindliche Klettergebiet erstreckt sich über mehrere Kilometer zwischen dem Meer und dem Vatnajökull-Gletscher. Die Locals haben das Gebiet mit den nötigen Dingen ausgestattet (kleine Holzhäuser, Trockentoiletten usw.), so dass der Spot relativ komfortabel ist. Die Routen sind überwiegend kurz und boulderlastig, in einem ziemlich eigenartigen Basalt. Eine Art isländischer Peak District.
Wir verbringen mehrere Tage in dieser unglaublichen Gegend, unterhalten uns mit den Locals und versuchen, uns an diese anspruchsvolle Kletterei zu gewöhnen. Valdimar Bornjsson und Eyþór Konráðsson, passionierte und extrem aktive Kletterer, gesellen sich zu uns. Der Wettbewerbsgeist macht sich bemerkbar und Gérôme beeindruckt die Gemüter, indem er zwei durch Valdimar erschlossene Projekte befreit: „Lundinn“ 8b und „Kamarprobbi“ 8b+.
Als erstes haben wir es auf den Sektor Gimluklettur, einem der schönsten von Hnappavellir, abgesehen. „Lundinn“, das von Gérôme befreite Projekt, befindet sich mitten in dem Felsriegel.
Man versteht nur zu gut, dass Hnappavellir das Hauptklettergebiet der Insel ist, was ihr hier seht, ist nur die Spitze des Eisbergs…
Adrien und Gérôme in ihren Projekten in Hnappavellir. Wer hat gesagt, dass der isländische Fels nichts zu bieten hat?
Vestrahorn: Ein Chaos von Boulderblöcken am Ende der Welt
Der weitere Verlauf unserer Reise zeichnet sich während eines Gesprächs mit Eyþór ab. Er erzählt uns von einem mit Valdimar entdeckten Bouldergebiet: über zweihundert Linien hat er dort schon erschlossen – und viele weitere existieren noch in seinem Kopf. Von diesem Bouldergebiet haben wir bereits gehört, es handelt sich um Vestrahorn!
Wir machen uns sofort auf den Weg nach Höfn, einem an der Südostspitze Islands gelegenen Fischerdorf, letztes Bollwerk der Zivilisation.
Es ist schon spät, wir sind schrecklich müde und träumen von einem bequemen, warmen Bett. Die Geländewagen rasen mit hoher Geschwindigkeit über die Straße und halten dann schnurstracks auf den Ozean zu. Wir durchqueren eine endlose Lagune, bevor wir auf eine chaotische Schlaglochpiste treffen. Von einer Anhöhe aus erblicken wir endlich die gigantische Felsenlandschaft. Der vom Wind gepeitschte Spot ist einklemmt zwischen einem imposanten Bergmassiv in diesiger Atmosphäre und dem Meer soweit das Auge reicht. Dieses Mal haben wir wirklich das Ende der Welt erreicht. Die Hoffnung auf eine warme Nacht schwindet.
Wir vergessen Müdigkeit und Kälte und verbringen den nächsten Tag damit, zwischen den Felsblöcken umher zu laufen, wir wissen nicht mehr, wo uns der Kopf steht. Florence und Gérôme versuchen sich schließlich an einer ziemlich schwierigen Platte, die von den isländischen Kletterern links liegen gelassen wurde, und befreien „Kosovar Productions“, 7A+/B.
Die Bucht von Vestrahorn: Surfspot, Felsenmeer und mystische Atmosphäre. Die Legende sagt, dass hier die ersten Wikinger in Island an Land gingen… wir zweifeln keine Sekunde daran.
Klettern mit Blick auf das Ende der Welt.
Eine krasse Linie an einem unglaublichen Felsblock, das Ganze in einer Mondlandschaft. Keiner von uns wird diesen Felsblock, welcher allein den Kampf gegen die Elemente wert war, je vergessen.
Florence beißt die Zähne zusammen und klammert sich an die Griffe der oberen Schlüsselstelle von „Kosovar Productions“, 7A+/B. Ein von uns befreiter Highball, unwiderlegbarer Beweis für unsere Anwesenheit am Spot von Vestrahorn.
Die Orgelpfeifen
Bevor wir wieder ins Flugzeug steigen, machen wir uns noch auf die Suche nach den vor unserer Reise im Internet entdeckten Basaltorgeln. Das Foto wurde per Zufall von einer Touristin geschossen, aber der Spot ist den einheimischen Kletterern nicht bekannt. Nach einigen Nachforschungen finden wir die Orgeln schließlich einige Kilometer entfernt von der kleinen Ortschaft Flùdir, bekannt für ihre heiße Quelle, die wir zu Anfang unseres Aufenthalts besucht haben. Kaum angekommen befreien Florence und Gérome eine erste Linie. Wir haben gerade mal genug Zeit, um drei Routen zu erschließen, bevor wir ins Flugzeug springen. Wir freuen uns, einen Hinweis auf unseren Aufenthalt hier und ein neues Spielfeld für unsere isländischen Freunde zu hinterlassen!
Der Höhepunkt des Spektakels: die isländischen Orgeln… setz deine 3D-Brille auf!
Gérôme und Florence begehen „Ephémère“, eine solide 7A Trad, Onsight und Flash. Das rechtfertigt die Kilos an Klemmkeilen und Friends, die Gé ohne unser Wissen während des gesamten Trips mitgeschleppt hat.
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