Andrea Base Camp macht halt in Manikia
Andrea Base Camp ist ein verrücktes Projekt, das sich Nina Caprez und ihr Freund, der Fotograf Jérémy Bernard, 2020 ausgedacht haben. Ein 9 Tonnen schwerer, geländetauglicher Unimog voller Kletterausrüstung und mit einer mobilen Boulderwand für die Flucht aus dem Alltag und gesellige Momente rund ums Klettern. Im September tourte „Andrea“ durch Rumänien, begeisterte zehn Tage lang junge Kletterer aus dem Armenviertel Dallas (Stadt Vulcan) und fuhr anschließend weiter nach Griechenland. Dort ging es für drei Wochen nach Manikia, wo Nina sich dem Petzl-Team anschloss. Auf dem Programm standen: Austesten neuer Routen, Begegnungen mit den Einheimischen, Anfängerkurse im Bouldern in der Grundschule von Konistres und Workshops mit Blick auf den bevorstehenden Petzl RocTrip. Denn dieses Dorf auf der Insel Euböa ist dabei, zu einem vielversprechenden Kletterspot zu werden, und sowohl der Ort als auch seine Bewohner sollen dabei respektiert werden. Nina blickt auf diese unglaublich bereichernde Erfahrung zurück.
14 April 2022
Hallen- und Felsklettern
Erzähl uns von deinem ersten Trip nach Manikia...
Ich kenne die Kletterer aus Grenoble sehr gut, die seit vier Jahren Routen in Manikia einbohren, und jedes Mal, wenn einer von diesem Gebiet gesprochen hat, dann haben seine Augen geleuchtet. Sie berichteten von einem Ort mit netten Leuten mitten in der Natur, Felsen soweit das Auge reicht und nicht überlaufen. Kurzum, mein persönlicher Traum von einem Klettergebiet und ich hatte fast ein bisschen Angst, enttäuscht zu werden. Wir hatten das Glück mit Andrea zehn Tage vor allen anderen dort zu sein und es war genau so, wie man es mir beschrieben hatte. Manikia ist ein winziges Dorf auf einer Anhöhe, mit zwei Tavernen, einem ursprünglichen, ziemlich einfachen Ort, wo keiner der 30 Einwohner auch nur ein Wort Englisch spricht und jeder Neuankömmling schnell bemerkt wird. Ein echtes kleines Paradies, dessen Felsen bereits erschlossen sind. Dort finden sich Hunderte wunderschöner Routen verteilt auf etwa 30 Sektoren, die nah beieinander liegen. Ein perfektes Setting, eine halbe Stunde vom Meer entfernt, aber mit einem etwas rauen Bergklima, genau wie ich es mag.
Wie haben dir die Routen und der Fels gefallen?
Der Fels dort ist reiner und harter Kalk, also ziemlich neu. Es kommt auch auf die Ausrichtung an: die nach Norden hin ausgerichteten Wände sind überhängend, mit Stalaktiten, die sich von denen auf Kalymnos unterscheiden. An diesen Überhängen fühlt sich die Kletterei richtig dreidimensional an, fast wie in einer unterirdischen Höhle mit super schönen Felsformationen. Die Südwände sind eher plattig, vertikale Kletterei an Sintern und löchrigem Meereskalk. Auf jeden Fall kommen die Felsen sehr gut an und die Bewertungen gehen nicht über 8c+ hinaus.
Wie wurde Andrea in Manikia aufgenommen?
Die Einwohner wissen, was der Petzl RocTrip in der Region bewirkt: Es geht darum, ein Gemeinschaftsprojekt auf die Beine zu stellen, Ökotourismus rund ums Klettern zu entwickeln. Die Erschließer sind ja schon seit Jahren vor Ort, haben Kontakte geknüpft, und die Einwohner haben sich mit dem Klettern vertraut gemacht. Sie empfangen einen unglaublich herzlich. Obwohl die meisten von ihnen das Klettern noch nicht wirklich als Sport betrachten und nicht verstehen können, dass jemand damit seine Zeit vertreiben will oder sogar davon leben kann! Die Menschen sind dort sehr genügsam. Manikia ist ein Dorf, in dem hauptsächlich ältere Leute leben und die freuen sich, dass wieder Junge kommen! Als Jérémy und ich angekommen sind, haben wir den Truck einfach unter den Felsen abgestellt und sind jeden Tag mit den Fahrrädern zum Klettern gefahren. Abends sind wir immer durchs Dorf geschlendert und manchmal waren wir dabei auf der Suche nach etwas zu Essen. Die Einwohner haben uns dann etwas zubereitet, Omelette mit Pommes und griechischem Salat zum Beispiel, und sie haben uns nie dafür bezahlen lassen. Sie wollten einfach unsere Gesellschaft!
Was konntest du als Star-Athletin im Team vor Ort beitragen?
Ich konnte keine einzige Tour einbohren, so sehr hat die Vorbereitung des bevorstehenden Petzl RocTrips meine Zeit beansprucht. Wir wurden bei verschiedenen Workshops gefilmt: Mehrseillängen, Sicherheit, Rettung, Portaledge... Das war für mich eine neue Erfahrung. Neben dem Kletteraspekt war es uns auch wichtig, die Locals miteinzubeziehen. Also haben wir versucht, auch an ihrem Leben teilzunehmen, zum Beispiel bei der Olivenernte oder beim Pilzesammeln. Außerdem haben wir zusammen typische Gerichte gekocht. Mit den Leuten zusammenarbeiten ist extrem wichtig: das Ziel ist es, dass vor allem die Griechen von dieser Entwicklung profitieren.
Welche Rolle hat Andrea im Manikia-Projekt gespielt?
Wir haben gleich nach unserer Ankunft Kostas Argiris kontaktiert, von dem man uns bei Petzl erzählt hatte. Er ist Kletterer und Mitglied des Rettungsteams, aber er ist auch Imker und hat ein kleines Geschäft. Vor Ort hat er uns überall rumgeführt. Über ihn konnten wir noch andere Einheimische kennenlernen. Und ihnen zeigen, dass wir Lust haben, mehr über ihr Leben zu erfahren und nicht nur zu konsumieren und wieder wegzufahren. Für uns war es seltsam, dass in diesem Kletterparadies niemand klettert! Die Kinder vor Ort sind nicht sehr sportlich. Also dachten wir, es wäre toll, für sie einen kleinen Kletter-Einführungskurs an der Grundschule von Konistres zu organisieren. Damit sie sehen, dass es ein Sport ist, den sie selber ausüben können und sich nicht aufs Zuschauen beschränken müssen. Wir haben alle unsere Bekannten vor Ort gebeten, uns zu helfen, diesen Tag vorzubereiten, zu dem wir auch Kinder von anderen Schulen eingeladen haben. Insgesamt konnten 150 Kinder an unserer Andrea-Kletterwand Spaß haben. Charlotte Durif und Aymeric Clouet aus dem Petzl-Team haben uns geholfen, die Kletterwand im Schulhof aufzubauen. Außerdem haben wir einen Slackline-Workshop und einen zu Höhenarbeiten veranstaltet und einen kurzen Film zum Projekt gezeigt. Wir wollten konkret etwas zu diesem wunderbaren Manikia-Projekt beitragen, indem wir alle Generationen mit einbeziehen, damit die Locals sehen, dass wir etwas bewegen, um eine gemeinsame Zukunft auf die Beine zu stellen.
Wie stellst du dir die Zukunft von Manikia genau vor?
Wie das Gegenteil dessen, was in Kalymnos passiert ist, wo man nur an den wirtschaftlichen Aspekt des Kletterns gedacht hat, ohne die Bevölkerung oder die Umwelt zu berücksichtigen. Dort hat man nur das Kletterparadies im Blick gehabt, alle wollten zum Kletterurlaub hin und heute gibt es auf der Insel große Probleme wegen diesem intensiven Tourismus. Die Griechen haben nicht vom Kletterboom auf Kalymnos profitiert. In Manikia geht die Energie von den Locals aus, es werden Kurse zum Routenbohren und zur Ausbildung der Rettungskräfte angeboten werden und die erforderliche Infrastruktur wird geschaffen. Dabei geht es darum, zu Sensibilisieren, Auszubilden und nach und nach Dinge in die Wege zu leiten. Und es kommt Bewegung in die Sache: vor einem Jahr hat ein Einwohner aus dem Tal eine Pizzeria mit Bar eröffnet und die ist jetzt zum Kletterertreff geworden! Wir ermutigen die Leute vor Ort, aktiv zu werden, um aus Manikia einen attraktiven Ort zu machen, der gleichzeitig erhalten bleibt. Zum Klettern dorthin zu fahren ist sinnvoll und gut für die Einheimischen, ohne, dass die Umgebung zu schaden kommt.
Um mehr zu erfahren, melde dich kostenlos an, dann bekommst du Zugriff auf die Petzl RocTrip-Plattform.
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